Ridley Scott – Monster reloaded
Mit Mitte 70 kehrt der britische Regisseur Ridley Scott zu seinen großen Filmen zurück. Sein aktueller Film "Prometheus" ist ein Prequel zu "Alien", nun widmet er sich "Blade Runner"
Ridley Scott drehte moderne Klassiker wie „Blade Runner“ und „Thelma & Louise“ – nun kehrt er erstmals zu einem von ihnen zurück. Sein neuer Film „Prometheus“ ist im gleichen Umfeld angesiedelt wie sein Sci-Fi/Horror-Klassiker „Alien“ – auch wenn er auf das berühmteste fleischfressende Monster der Filmgeschichte verzichtet, und stattdessen die Frage nach dem Ursprung der Menschheit stellt. Ein Raumschiff namens „Prometheus“ macht sich auf in die Tiefe des Raumes, um dort unseren außerirdischen Schöpfern auf die Spur zu kommen – doch dann geht etwas grässlich schief …
Man kann den Film sofort eindeutig als Ridley-Scott-Werk identifizieren – an der durchgängig perfekten Ästhetik, an der visuellen Choreografie, auch an seiner immanent pessimistischen Weltsicht. Selbst nach 40-jähriger Arbeit als Regisseur verkörpert der 74-jährige Brite aber auch noch immer diese wundervolle Mischung aus kindlichem Enthusiasmus und dem Selbstvertrauen des routinierten Handwerkers. „Es heißt, ich sei ein Workaholic“, sagt er, „aber ich würde es anders formulieren: Ich liebe es einfach, zu arbeiten.“
Mit „Prometheus“ kehren Sie in ein Universum zurück, das Sie vor 30 Jahren mit „Alien“ kreiert haben. War das ein Ort, zu dem Sie schon immer irgendwann einmal zurückkehren wollten?
Er existierte zumindest irgendwo in meinem Hinterkopf. Als ich „Alien“ abschloss, gab es eine Ungereimtheit, die mir schwer zu schaffen machte: Wer war eigentlich dieses extraterrestrische Wesen, dieser Alien-Pilot mit explodiertem Magen, den man am Anfang des Films sieht? Es ist eigentlich eine Frage, die sich aufdrängt, aber auch in den Sequels hat sich niemand bemüht, dieser Frage nachzugehen – was schon mysteriös ist. Davon abgesehen hat mir das Genre Science Fiction immer ungeheuren Spaß gemacht. Es bietet dir einfach die Option des anything goes. Wobei die Gefahr natürlich darin besteht, dass es schnell eine Mahlzeit mit zu vielen Gängen werden kann – und man prompt eine Menge Scheiße serviert bekommt.
Was halten Sie von den anderen „Alien“-Filmen, die auf Ihrem Original basieren?
Ich rechne die letzten Filme eigentlich nicht dazu. Ich weiß, warum sie produziert wurden: um die Franchise-Kuh zu melken und Geld zu machen. Womit ich überhaupt nichts gegen den jeweiligen Regisseur gesagt haben möchte. Aber ich war schon etwas verstimmt, dass mein Baby derart ausgeschlachtet wurde. Wir hatten eins der genialsten Monster der Filmgeschichte kreiert; ohne das Monster hätten wir vielleicht einen hübschen, ästhetisch gelungenen Film mit spektakulären schauspielerischen Leistungen gehabt – nicht aber diese brutale Naturgewalt, die sich jeder Logik entzieht.
Die Szene, in der das Monster aus William Hurts Brust tritt, ist zu einer Ikone der Filmgeschichte geworden.
Es war im wahrsten Sinne des Wortes so etwas wie eine Geburt. Ich war bei einem Preview in St. Louis und wusste in dem Moment, dass ich den Tiger bei den Eiern gepackt hatte. Ich werde es nie vergessen: Es gab eine Menge Pärchen, die sich gegenseitig wirklich umklammerten, weil der Horror einfach zu plastisch war. Da wusste ich, dass ich meinen Job gut gemacht hatte.
Sie haben in den Sechzigern mit Werbung angefangen. Inwieweit hat das Ihre Laufbahn als Regisseur beeinflusst?
Ich denke, ich habe als Werber eine gute Figur gemacht – und bin ja noch immer in dem Metier tätig. Meine Firma (Ridley Scott Associates) hat Büros in Hong-Kong, New York, L.A. und London – und wir haben etwa 60 Regisseure und alles, was da noch dazugehört.
Wie gefällt Ihnen die TV-Serie „Mad Men“?
Die Show als solche ist fantastisch. Aber wie Sie sich sicher vorstellen können, hatte ich in meinen frühen Jahren keine Agentur – ich war der Bursche, der die Wünsche der Agentur umsetzte. Es war eine knallharte Konkurrenz, weil man immer den Spagat zwischen Budget und Kreativität machen musste, immer mit dem „Was werden Sie uns denn abliefern?“ zu kämpfen hatte. Die angesagten Agenturen waren immer auf der Suche nach den vermeintlich heißen Regisseuren – und 20 Jahre lang habe ich dazugehört. Es war meine Filmhochschule.
Der Kunst-contra-Kommerz-Aspekt wird Sie ja sicher auch in Hollywood verfolgt haben?
Natürlich. Es ist Kreativität gegen Kommerz – und das Problem besteht darin, dass man letztlich auf beiden Kriegsschauplätzen zu kämpfen hat. Es gibt nur eine feste Größe: den Investor. Und natürlich sagt der: „Wie viel soll der Spaß kosten? 100 Millionen? Verpiss dich.“
Sie lagen in Ihrer gesamten Laufbahn mit den Studios im Clinch.
Absolut. In vielerlei Hinsicht war „Blade Runner“ mein persönlichster Film, und ich musste ständig mit den Finanziers kämpfen, die sagten: „Das ist einfach zu teuer.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte ich immerhin 2.000 Werbefilme gedreht, ich hatte Büros in New York und London – und ich bin kein Idiot. Insofern hasste ich es, das Budget zu überziehen, weil man sich nicht an die Spielregeln hält.
Könnten Sie sich vorstellen, auch noch einmal ins „Blade Runner“-Universum zurückzukehren?
Ich bin bereits dabei. Das Problem ist natürlich, dass „Blade Runner“ eigentlich eine abgeschlossene Geschichte ist. Wo zum Teufel soll man da anknüpfen? Hampton Fancher, der damalige Drehbuchautor, ist zum Glück noch am Leben, und der verdammte Bursche hat’s noch immer drauf. Ich werde ihn nächste Woche treffen. Wir haben eine zündende Idee und werden dran arbeiten.
Ihre Filme sind nicht gerade sonderlich beschwingt und optimistisch. Gibt es etwas in Ihrem Leben, das für diesen dunklen Fleck verantwortlich ist?
Nun, ich wurde im englischen Dauerregen geboren, im Nordosten von England, was traditionell Keltenland ist. Und Kelten haben alle einen Sprung in der Schüssel. Es ist eine typisch keltische Eigenschaft, das Glas als „halb leer“ und nicht als „halb voll“ wahrzunehmen. Andererseits: Wenn man sich an die Arbeit zu einem großen Film macht, muss man schon ein gottverdammter Optimist sein.