Richard Thompson: Hamburg, Fabrik

„Do you wanna sing along?“ Der Mann mit dem Barrett geht mit „Sights And Sounds Of London Town“ gleich in die Vollen, die vielleicht 200 Getreuen zieren sich noch. Mag manchem der Plattenkünstler Richard Thompson spröde vorkommen. Kaum betritt er eine Bühne – diesmal im Akustik-Duo mit Bassist und Namensvetter Danny -, steht da ein ein beloved entertainer, ein großer Spötter zumal, der noch jede kleine Gelegenheit beim Schöpfe packt, um seine Spitzen zu verteilen. Publikumsbeteiligung erwünscht, aber, damit das klar ist: „Die Witze reißen wir hier oben!“ Und guckt wieder halb streng, halb belustigt von der Rampe. Vor Klamauk nicht immer gefeit, zieht Thompson doch meist sicher die Reißleine, um sich wieder der Bildung der Herzen zu widmen. Die Lacher sind kaum verklungen über die Gefahren eines London-Besuchs („No fun!“) und die Gladiatoren im alten Rom, da schneiden schon wieder Zeilen wie „If you don’t want me, I’ll dry my tears and move on“ scharf ins Gemüt. Die kommen von „Mock Tudor“. Das letzte Album stellt mit immerhin acht Songs das Gerüst eines knapp zweistündigen Sets, der sonst souverän durchs Beste der 80er und 90er Jahre streift und – bis auf „The Ghost Of You Walks“ – nur die Akustik-Vorlagen von „You? Me? Us?“ überraschend ignoriert. Wie gern hätte man „She Cut Off Her Long Silken Hair“ gehört!

Doch kein Grund zur Klage, wenn „Waltzing’s For Dreamers“, „She Twists The Knife Again“ und ein vor Sarkasmus berstendes „I Feel So Good“ gereicht werden. Nach „Al Bowlly’s In Heaven“ nimmt Danny Thompson eine kurze Auszeit, während Richard zu Recht Ovationen für die hinreißende „Auf Liebe und Tod“-Straßenpoesie von „1952 Vincent Black Lightning“ entgegennimmt, gefolgt von einem würdigen „Down Where The Drunkards Roll“. Danach streicht Danny seinen Bass mit dem Bogen, lässt den „Mystery Wind“ um alle Ecken, durch alle Ritzen pfeifen. Da lacht niemand mehr.

Auf der Zielgerade steht natürlich der „Wall Of Death“, dazu ein munteres „Turning Of The Tide“. Anders als Dylan, stets auch auf Neuinterpretation aus, schürft Thompson auf hohem Niveau nach der Essenz seiner Originale, was in den zwei Zugaben besonders ein bis ins Mark konzentriertes „Shoot Out The Lights“ belegt. Die Lichter in der Fabrik aber gehen schon bald an.

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