Rewind Today 1968: „2001: Odyssee im Weltraum“ startet in den Kinos

Heute vor 45 Jahren lief Stanley Kubricks Film "2001: Odyssee im Weltraum" in den US-Kinos an. Das in seinem Premierenjahr mit lauwarmen Kritiken rezipierte Werk gilt heute zu Recht als Meisterwerk des Films. Als Meisterwerk des Science-Fiction-Films sowieso.

HAL spricht nicht, dafür aber stammte der Audiokommentar der „2001: Odyssee im Weltraum“-Special Edition, erschienen 2011, von Keir Duella und Gary Lookwood, den Astronauten auf der Mission. Sie liefern die endgültige Antwort auf die Frage: Wer sind wir, wo kommen wir her? Die Geschichte der Menschheit, die Existenz Gottes und die Gewalt als fatale Seite der Intelligenz reflektiert Kubrick im philosophischsten aller Science-Fiction-Filme, einem Meilenstein des Kinos. Legendär ist die Schnittsequenz, in der ein Affe einen als Waffe benutzten Knochen triumphierend in den Himmel schleudert: In Zeitlupe wird er zu einem Raumschiff, das im Takt des Donau-Walzers durchs Weltall gleitet. 2001 soll eine Expedition ein Signal vom Jupiter erforschen. Der als unfehlbar geltende, sensible Bordcomputer HAL 9000 tötet aber die Mannschaft. Nur einer überlebt und sieht am Ende in einem surrealen-spirituellen Trip seine Wiedergeburt. Eine packende Stille herrscht in diesem faszinierenden Film, der sich vor allem visuell vermittelt (aus der Ausgabe 6/2011).

Heute vor 45 Jahren lief Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“ in den US-Kinos an. Das in seinem Premierenjahr mit lauwarmen Kritiken rezipierte Werk gilt heute zu Recht als Meisterwerk des Films. Als Meisterwerk des Science-Fiction-Films sowieso.

Für die Ausgabe 9/1999 schrieb Oliver Hüttmann den Nachruf auf Kubrick, der im Alter von 69 Jahren verstarb:

Er hasste Interviews. „Wird sich jemand meine Filme ansehen, nur weil er weiß, dass ich Porsche fahre?“, soll Stanley Kubrick mal gespottet haben. Ein Zitat, das wie manche Anekdote über den Regisseur sukzessiv von ehemaligen Mitarbeitern an die Presse überliefert und von dieser zum Mythos vom erratischen Exzentriker und gnadenlosen Genie kolportiert wurde; befeuert durch die immense Drehzeit – an „2001: A Space Odyssee“ arbeitete er fast vier Jahre – und die Flüche einiger Schauspieler, die sich schikaniert fühlten. „Deprimierend ernst“ charakterisierte George C. Scott den Pedanten. Kirk Douglas schimpfte ihn ein „talentiertes Stück Scheiße“, weil er Kubrick den Regiejob zu „Spartacus“ verschafft hatte, der sich allerdings einer erhofften Seelenverwandtschaft entzog.

Gewiss ist nur diese Notiz: Er wurde am 26. Juli 1928 in der Bronx geboren als Sohn eines jüdischen Arztes, arbeitete nach seiner Zeit an diversen Elite-Colleges als Fotograf fürs Mode-Magazin „Look“, siedelte vor 40 Jahren nach England übet, war drei Mal verheiratet, hat zwe i Töchter gezeugt und ein Dutzend Kinofilme gedreht, zwei davon in den vergangenen 20 Jahren. Sein letzter heißt „Eyes Wide Shut“. Wenige Tage, nachdem er ihn abgeschlossen hatte, schloss er 70-jährig in der Nacht zum 7. März dieses Jahres seine Augen.

Bis zuletzt hatte Kubrik seine Kontrollladen gezogen, den Drehbuchautor Michael Herr, ein Freund seit „Full Metal Jacket“, zu sich bestellt und jenen gebeten, ihn für „Vanity Fair“ zu interviewen: „I’ll write all the questions… It’ll be the only piece about the movie, you know, a really dassy piece of P.R. It’ll be fun.“ Kubrick starb vorher, Herr schreibt dennoch für jene Illustrierte. Weil bereits zu Lebzeilen die Neugier groß war und bis dahin nur drei, vier Leute sein filmisches lestament kannten, scheint für viele Getreue das über Jahre auferlegte Beichtgeheimnis obsolet Sie plaudern gar im „Playboy“ aus der Wäsche.

Wie war nun der schrullige Alte? Verrückt nach den boshaften Sitcoms „Die Simpsons“, „Seinfeld“ und „Roseanne“, behauptet Herr und beschreibt Kubrick als einnehmend und zuweilen ziemlich kumpelhaft, aber ungelenkig und scheu bei körperlichen Kontakten. Dennoch hatte er einen kräftigen Händedruck als wollte er sich so die Leute vom Leib halten. Trotzig zwang er anderen seinen Willen auf, und ab Douglas diesen mal zu brechen versuchte, indem er den jungen Emporkömmling mit seinem Pferd anstieß, muss Kubrick bereits die Physis des Mannes abgestoßen haben. Er liebte zwar FootbaU, sah aber nur zu. Es war wohl die Inszenierung, die ihn faszinierte, wenn die Phalanxen der Spieler nach Plan aufbrachen, so wie später die chaotischen Sujets seiner Filme in einer visuellen Strenge eingebunden waren.

Kubrick war ein Ästhet. In den 50er Jahren sah er so gesytlt aus wie ein Beatnik, liebte das Showbiz und die Stars. Seine Metamorphose seit den Sechzigern zu einem schmuddeligen Einsiedler schien proportional zur obsessiven Optik seiner Filme zu verlaufen, als Spiegel zur Seele. Er setzte jeden Gedanken in Bilder um „Lolita“ (1961) als reine Vorstellung von Verführung, wie in „Dr. Seltsam“ (1963) der Pilot beim Ritt auf der Bombe seinen Cowboy-Hut schwenkt, der symbiotische Wahnsinn der Schreibmaschine und des Labyrinths in „Shining“ (1979), die hedonistische Gewalt-Oper „Clockwerk Orange“ (1971), Walzertanz im Weltraum von „2001“ (1968) und natürlich sein schwarzer Monolith, neben dem Wort „Rosebud“ aus Orson Welles‘ „Citizen Kane“ die nachhaltigste Symbolik des Kinos. Moderne Werbe-Spots und Video-Clips, „Star Wars“ und „Natural Born Killers“ wären ohne diese Werke visuell kaum denkbar.

An Dialogen war ihm die Betonung wichtig. Die Astronauten in „2001“ reden und reagieren mechanisch, während Super-Computer HAL mit schwuler Samt-Stimme und rotem Fischauge alles reflektiert, immer menschlicher wird. Dessen kategorische, letztlich aber von Menschen erschaffene Unfehlbarkeit nimmt paranoide Züge an. Ein Mann nur rettet sein Leben, da er rational handelt und sich auch nicht erweichen lässt, als HAL sein größtmöglichstes emotionales Signal sendet: Er singt das Lied „Hänschen klein“ – und stirbt.

Kubricks fünf Computer liefen auch nachts: „They like to be left on.“ Mit der Menschheit aber haderte et Schauspielern beschied er beim Drehen lediglich: „Really great. Let’s go again.“ Bis zu 50 Mal. Cruise und Kidman hielten das durch. Für sie war es Kunst, für ihn ein kommerzieller Coup. Der Knauser hatte höllischen Respekt vor Box-Office-Zahlen und es nie verwunden, dass Jack Nicholson an „Shining“ mehr verdient hat als er selbst Nun schickt sich „Eyes Wide Shut“ an, mit bisher 50 Millionen Dollar sein erfolgreichster Film zu werden. Und er feixt auf Wolke sieben.

Sein Porsche war übrigens weiß und Stanley, wie Herr versichert, ein rasantexzellenter Fahrer.

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