Rewind Today 1940: John Lennon wird geboren
Heute wäre John Lennon 73 Jahre alt geworden. Wir gratulieren dem Sänger mit einer Rezension des Albums "Plastic Ono Band".
Aus ROLLING STONE 12/2000:
John Lennon – Plastic Ono Band *****
„Plastic Ono Band“ war das Album, das Lennon machen musste, um danach überhaupt weiter Songs schreiben zu können. Das war ja genau genommen nicht sein Solo-Debüt, aber in vieler Hinsicht so etwas wie eine künstlerische Wiedergeburt. Selten hat jemand seinen privaten Frust, seine Ängste und Traumata sich so bedingungslos von der Seele gesungen wie Lennon hier mit Songs wie „Remember“, „Isolation“, „Mother“, „I Found Out“ und „My Mummy’s Dead“. Die nihilistische Litanei „God“ kann man nachträglich irgendwo auch als Ur-Hymne der „Me-Decade“ begreifen.
Fast etwas schizophren muten in diesem Kontext die „positiven“ Statements von „Love“, „Hold On“ und „Working Class Hero“ an. Wieso er sich als Held der Arbeiterklasse fühlen wollte, ist nie ganz klar geworden. Immerhin fehlen – anders als Jesus und Hitler – Marx und Lenin bei „God“ in der Liste der Idole, an die er nicht glauben mag. „Who am I supposed to be?“ fragt er in „Look At Me“, und die störrische Behauptung „Who am I? Nobody knows but me!“ stimmte so natürlich überhaupt nicht. Wie jeder weiß, musste Lennon erst durch eine Therapie zu sich selbst finden, um danach eine LP wie „Imagine“und weit weniger verzweifelt autobiografische Lieder wie „Crippled Inside“ und „Jealous Guy“ schreiben zu können.
Der „audio verite“-Realismus, mit dem Phil Spector die Platte coproduzierte, widersprach in Aufnahme- und Klangästhetik allem, was er zuvor praktiziert hatte und wofür er berühmt war. Im Vergleich zu hochkarätigen Produktionen jener Jahre von früher Steve Miller Band über Pink Floyd bis zu manchen von Jimmy Miller betreuten Meisterwerken hatte das fast schon einen Touch von „home recording“. Man kann das als Sakrileg sehen, aber die neue Remix/Remaster-Edition von Lennons bestem Album kommt praktisch einer Neuproduktion gleich: Die Klangfarben sind nicht mehr verwaschen, die Instrumente des Trios Lennon/Starr/Voormann – erstmals optimal ausbalanciert im Mix – kommen zumal im Grundton- und Mittenbereich unendlich besser rüber, und der Sänger ist so präsent, dass man ihn selbst dort, wo die Stimme „doubletracked“ ist – live zu hören meint. Absolut deplatziert sind hier die beiden Bonus-Tracks. Wer immer die Idee hatte, auf das todtraurige „My Mummy’s Dead“ wenige Sekunden später das laut bürgerrechtsbewegte „Power To The People“ folgen zu lassen, muss ein merkwürdig rohes Gemüt besitzen.
Ganz exzellent klingt im Übrigen auch die just veröffentlichte Remaster-Fassung des John Lennon/Yoko Ono Werks „Double Fantasy“ (3,0). Das war – anders als die kompromisslos unkommerzielle LP „Plastic Ono Band“ – posthum Lennons Megaseller überhaupt.
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