Warum „Der Exorzist“ der beste Horrorfilm ist

„Der Exorzist“ auf 4K, mit vielen Extras

Die besessene Regan (Linda Blair) presst den Kopf der Mutter gegen ihre blutende Vagina, in die die Zwölfjährige zuvor ein Kruzifix rammte. Es soll 1973 entsetzte Kinogängerinnen gegeben haben, die wegen dieser Szene Fehlgeburten erlitten. Vielleicht ein Mythos, wie jener, dass Regisseur William Friedkin, der im August im Alter von 87 Jahren verstarb, am Set Ohrfeigen verteilte oder mit einem Revolver rumballerte, um seinen Schauspielern aufgewühlte Darstellungen zu entlocken.

Aber wie zuvor Polanskis „Rosemary’s Baby“ oder Romeros „Nacht der lebenden Toten“ erspürte auch „Der Exorzist“ die Angst der Eltern vor ihren nach (sexueller) Befreiung strebenden Kindern. „Du siehst so erwachsen aus!“ sagt Chris MacNeil (Ellen Burstyn) zu ihrer Tochter – als Kritik. Doch mit Erwartungsdruck haderten auch die Erwachsenen, denn Chris kommt mit der Doppelbelastung als Hollywoodstar und Mutter nicht zurecht.

Dämon Pazuzu weiß solch fragile Beziehungen zu nutzen, gerade in Zeitenwenden – der Mensch ist ihm generell zu übermütig –, und er hat Humor. Nachdem er sich Regans bemächtigt hat, muss das Mädchen zu einem Astronauten, der trotz Ende des Apollo-Programms zum Mars fliegen will, sagen: „Du wirst sterben dort oben.“ Besser noch sind die Wortspiele Pazuzus, der sich Kids als „Captain Howdy“ vorstellt: „Das alles ist ja mirabile dictu – kaum zu glauben!“.

Denn „Der Exorzist“ handelt von Glaubenskrisen, aber nicht nur Krisen technischen Fortschritts oder weiblicher Emanzipation. Er behandelt auch den Verlust religiösen Glaubens. Pater Karras (Jason Miller) vertraut der Psychiatrie mehr als der Bibel, befürwortet die medizinische Behandlung von Regans angeblicher „Schädigung des Schläfenlappens“. Karras ist die eigentliche Hauptfigur, Stellvertreter aller vom Glauben Abgefallener. „Wenn Du nicht Priester wärst, wärst Du ein Psychiater“, sagt sein Bruder – Psychoanalyse ist die neue Religion. Als Chris MacNeil Karras um einen Exorzismus bittet, muss dem erst in Erinnerung gebracht werden, was das ist: „Einen … was?!». Um den eigentlichen Exorzisten, Pater Merrin (Max von Sydow, der mit 44 einen 79-jährigen verkörpert und fortan in jedem Film wie ein älterer Herr aussehen würde), geht es weniger, das Werk ist so unglücklich betitelt wie die Romanvorlage William Peter Blattys.

Wirtswechsel durch beherzte Faustschläge in die Fratze des beeindruckten Pazuzu

Dafür ist Exorzist-Gehilfe Karras am Ende wieder voll da. Festigung des Glaubens entsteht durch die ritualisierte Wiederholung von Geboten, und die zwei Priester bearbeiten den Beelzebub mit fünfzehnmaligem „Die Kraft Jesu Christi bezwingt Dich!“-Gebrüll. Dennoch begründet sich der Wirtswechsel des Dämons am Ende nicht in Karras‘ Glauben, sondern der unchristlichen Methodik des Gottesmanns: Obszönität („Drecksviech!“) und beherzte Faustschläge in die Fratze des beeindruckten Pazuzu.

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Soundtechniker Robert Knudson hat den Film-Ton produziert, neben Ben Burtts aus „Star Wars“ der brillanteste des Jahrzehnts. Die surrenden Ausgrabungen Merrins im heißen Irak sind so furchteinflößend wie jene das Mädchen terrorisierenden MRT-Geräusche, die Medizinapparate wie die eigentlichen Teufelswerkzeuge wirken lassen. Eine böse Pointe könnte darin bestehen, dass William Friedkin die Title-Card-Einblendung „The Exorcist“ ausgerechnet mit dem Einsatz von Muezzin-Gesang synchronisiert.

Als Schauplatz mörderischer Umtriebe wiederum ist die in „Exorcist Steps“ umgetaufte Treppe in Georgetown unerreicht – die Odessa-Stufen aus „Panzerkreuzer Potemkin“ und die Bronx-Treppe in „Joker“ sind chancenlos. Und das Makeup Pazuzus? Ist kaum zu ertragen, jedes Standbild ist ein Jumpscare. Den Regie-Oscar erhielt Friedkin zwei Jahre nach „Brennpunkt Brooklyn“ allerdings nicht wieder. Er wusste, warum: „Das war eine Quasi-Doku über korrupte Cops. Keine Saubermänner. Das nahm Hollywood mir übel“.

Die „50th Anniversary“-Edition enthält ein BFI-Buch sowie zwei Film-Fassungen, also auch den unterlegenen Director‘s Cut. Pazuzu ist darin zu oft zu sehen, außerdem einer der zwei berüchtigten „Spiderwalks“ Regans, die in gymnastischer Brückenlage auf allen Vieren läuft. Friedkin strich die Szene ursprünglich, wollte nicht zeigen, dass der ans Bett gefesselte Dämon durchaus das Zimmer verlassen kann. Und sich im Liegen einen Spaß daraus macht, uns zu quälen.

The Exorcist 50th
Warner Bros
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