Warren Zevon
„Warren Zevon (Collector’s Edition)“
Erst brauchte es eine Ewigkeit, bis er seine erste Platte veröffentlichen konnte – und dann starb er lange vor der Zeit. Warren Zevon hat oft über sein Schicksal gelacht in den Monaten vor seinem Tod im Herbst 2003, als er noch eine letzte glorreiche Platte aufnahm, „The Wind“.
Schon Ende der Sechziger hatte er mit dem Duo Lyme & Cybelle ein Album mit Folk-Songs herausgebracht, und 1970 gab es einen unglücklichen Versuch unter seinem Namen: „Wanted Dead Or Alive“. Dann leitete der impulsive Songschreiber die Band der Everly Brothers, um schließlich mit seiner Frau Crystal ein Engagement in Spanien anzunehmen.
Im Sommer 1975 bekam er ein Telegramm von Freund Jackson Browne daheim: „Too soon to give up. Come home.“ Browne hatte bei einem anderen Freund, David Geffen, einen Vertrag ausgehandelt. Zevons Songs lagen bereit, Brown produzierte, die L.A.-Mafia um Waddy Wachtel spielte. Im Juni 1976 erschien „Warren Zevon“.
Den größeren Erfolg hatte im nächsten Jahr mal wieder Linda Ronstadt mit „Hasten Down The Wind“, benannt nach Zevons Song. Aber der trinkfreudige Wüterich vom Sunset Boulevard wurde auch nicht ignoriert, die Kritik liebte ihn vom ersten Moment an (1976 war „Fly Like An Eagle“ von der Steve Miller Band die Platte des Jahres im amerikanischen ROLLING STONE).
Zevon spielte einerseits gemütvollen Westcoast-Rock: „Back’s Turned Looking Down The Path“, „Mohammed’s Radio“, „Carmelita“. Andererseits haute er mit der Pranke den Rock’n’Roll heraus wie jener Werwolf, der ihn bald berühmt machen sollte: „Frank And Jesse James“, „Poor Poor Pitiful Me“, „I’ll Sleep When I’m Dead“. Bereits hier klangen seine Themen an: die Herkunft als Sohn eines Ganoven („Mama Couldn’t Be Persuaded“), Drogen- und Alkoholsucht („Carmelita“), das bittere Ende einer Liebe („The French Inhaler“), Schlaf- und Ruhelosigkeit und die Wonnen und Schrecken von Los Angeles: „Join Me In L.A.“, „Desperadoes Under The Eaves“.
Auf einer Kladde hatte er auch „Excitable Boy“, „Roland The Headless Thompson Gunner“ und „Werewolves Of London“ notiert. Jackson Browne sprach sich jedoch gegen diese brutalen Stücke aus, weil er (seinem Naturell entsprechend!) das Debüt friedlich anlegen wollte. Die Brecher wurden für die zweite Platte aufbewahrt.
Zwar ist dies trotzdem eine der größten Songschreiber-Platten überhaupt und ein fast perfekter Einstand- doch hätte Zevon nicht auf den bedächtigen Browne hören sollen: Mit den drei anderen Songs und „Studebaker“ wäre die Platte noch besser geworden.
Die zweite CD stellt einige Piano- und Band-Demos und zweite Takes vor sowie eine Live-Version (von „Mama…“), insgesamt 15 Tracks. Und der Sound der Remaster-Edition! Der spanische Gegengesang bei „Sleep When I’m Dead“, das wunderbare Arrangement und der Chor von „Desperadoes“ klangen nie so strahlend. Und so traurig. (Rhino/Warner)
Arne Willander