Van Morrison & Linda Gail Lewis – You Win Again

Der große Grantier hat es eilig. So eilig, dass die Plattenfirma zum neuen Album altes Material mitschicken muss, dass freilich – die Skiffle-Sause mit Lonnie Donegan und Chris Barber ging ja erst vor ein paar Monaten über die Bühne – noch fast frisch zu nennen ist. Ist das schon Torschlusspanik? Oder doch nur die unverhoffte Leichtigkeit der späten Jahre, die nach dem schweren Mut der mittleren in sein Leben getreten ist?

Fest steht dies: Auf einer Convention zu Ehren ihres Bruders Jerry Lee sind sich Van Morrison und die Schwester des „Killers“ vor Jahren schon näher gekommen. Man blieb über die erste Blitz-Session hinaus in Kontakt, und nun das Resultat. Schnell steht das Szenario vorm geistigen Auge: Eine Samstagnacht im Pub um die Ecke. Dort, hinten in der Ecke, eine kleine Bühne, auf der eine gestandene White-Trash-Sirene mit dem Twang aus County Fairs und Louisiana-Jamborees und ein menschliches Fass (mit reichlich Boden) schwitzen und balzen und shouten. Schwer in Form, die beiden, so schwer, dass das Fass – eigentlich ein mürrischer Mann – sogar mal über sich lachen kann.

Nach einem „Shot Of Rhythm & Blues“ dürstet das Duo, immer wieder, und zwischendurch verdrücken sie eine dicke Träne in das Bier, das Ray Price und Hank Williams stehengelassen haben. Das Fass hat sogar einen neuen Song mitgebracht, „No Way Pedro“, ein launiger Shuffle, der sich zwischen die gut abgehangenen Standards fügt wie ein neuer Malt Whiskey in die gut sortierte Bar. Zum Schluss – gegeben wird das unvermeidliche „Boogie Chillen“ – mutieren Mittfünfziger zu Headbangern. Da nimmt man glatt den dicken Kopf in Kauf, der sich am Sonntagmorgen unweigerlich einstellt. Das war es wohl wert. Die Erinnerung an die Samstagnacht mag bleiben, doch das Verlangen, sie mit Hilfe eines Tonträgers nachzustellen, hält sich in Grenzen. Weil Blicke nicht singen können. Weil dann Dinge wichtig werden, die Samstagnacht eher unwichtig sind. Das richtige Timing etwa. Und auch weil plötzlich auffällt wie Verbitterung, Demütigung, Schmerz, die etwa in Hank Williams‘ „Why Don’t You Love Me?“ und „You Win Again“ stecken, reduziert werden auf ein fast nonchalantes

Schulterzucken. Verständlich im Saturday Night Fever aber verwirrend am Morgen danach. Ach ja: „You Win Again“ ist natürlich kein Live-Album.

JÖRG FEYER

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