U2: „Zooropa“ – Berlin-Hangover-Hymnen

Universal (VÖ: 20.10.)

Das mutigste Werk der Iren, neu aufgelegt

Erstaunlich, dass eine der geschäftstüchtigsten Rock-Bands erst zwei große Deluxe-Editionen ihrer Klassiker („Achtung Baby“, „All That You Can’t Leave Behind“) und eine kleinere („The Joshua Tree“) veröffentlicht hat und ausgerechnet ihr experimentellstes Werk, das nun sein 31. Jubiläum feiert, lediglich als LP mit zwei Bonus-Remixen (zu „Numb“ und „Lemon“) neu herausbringt. U2 lieben ihre mutigste Platte nicht. Dabei ist sie herausragend, wenn auch eher wegen ihrer Ideen denn als Summe der einzelnen Lieder.

Nur weil „Zooropa“ als „Achtung Baby“-Beiprodukt gedacht war und in mobilen Studios auf Tournee entstand, konnten U2 so kühn sein

Das Titelstück ist ihre Hommage an Bowies „Station To Station“, mit einem ähnlich beschleunigten Galopp ab der Songmitte, dazu ihr aus der Werbung geklautes, auf Deutsch vorgetragenes „Vorsprung durch Technik“-Zitat. „Dirty Day“ ist eine lyrische Verbeugung vor Bukowski, mit „The Wanderer“ schenken U2 Johnny Cash den alleinigen Gesang auf einer ihrer Kompositionen – wohlgemerkt, als der noch uncool war, kurz vor seinen „American Recordings“, und sogar als Finale ihres Zehn-Song-Reigens. „Stay (Faraway, So Close!)“ ist die Berlin-Hangover-Hymne, wie sie 1993 bestens gedeihen konnte in einer Stadt, in der alles möglich war, egal wie man am Morgen danach aussah. Im dazugehörigen Clip besteigt Bono, auf dem Höhepunkt seiner Potenz, die Siegessäule.

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Nur weil „Zooropa“ als „Achtung Baby“-Beiprodukt gedacht war und in mobilen Studios auf Tournee entstand, konnten U2 so kühn sein. Gut, dass sie sich nur sechs Wochen Zeit dafür ließen. Es gab noch kein kommerzielles Internet, aber das Medienzeitalter der Frühneunziger, Overkill durch Satelliten-TV, beeinflusste Bono stark. Für ihn war Sarkasmus ein Ausweg. Er verkleidete sich als MacPhisto, verstellte seine Stimme. „With satellite television you can go anywhere.“ Aber wohin? Er sang über grünstichige Fernsehberichterstattung zum Golfkrieg, den Krieg in Jugoslawien, islamistische Hetze gegen Salman Rushdie … Und wir denken, erst heute geht’s der Welt schlecht!