Twiggy
Romantically Yours
EMI VÖ: 03.02.2012
In ihren riesigen, von endlosen Mascara-Wimpern umstrahlten Augen lag eins der Versprechen der Sechziger. Mit puppenhafter Künstlichkeit prägte das Model Twiggy unsere Vorstellung von Pop und Swingin’ London. Auf dem Cover des Albums „Romantically Yours“, das erste seit zwölf Jahren, präsentiert sich Twiggy nun im Tüllkleid, als wollte sie sich für eine Nebenrolle beim „Traumschiff“bewerben.
Frauenzeitschriften werden vielleicht darüber jubeln, wie gut sich die 62-Jährige gehalten hat. Doch jedes graue Haar und jede Falte im Gesicht der zwei Jahre älteren Patti Smith haben mehr Sex-Appeal. Das Besondere an Twiggy war ja, dass sie scheinbar anders war als die anderen Frauen ihrer Zeit. Nun ist aus ihr eine adrette, aber durch und durch durchschnittliche Vorstadt-Hausfrau geworden, die gerne so singen würde wie Diana Krall. Also ohne Schweiß und Körperlichkeit, aber mit viel Eleganz und technischem Können.
Leider geht Twiggys Wunsch nicht in Erfüllung. Auf „Romantically Yours“ zerstört sie reihenweise Klassiker wie „Waterloo Sunset“ oder „Only Love Can Break Your Heart“ mit fettiger Streichersoße und einem bebenden, an schlechten Musicals geschulten Timbre. Bryan Adams spielt irgendwann mal ein Gitarren-Solo, und Richard Marx singt mit – vielleicht schuldeten sie ihr einen Gefallen. Und wenn Sie wissen möchten, wie ich mir die Hölle vorstelle: ein mit plüschigen Möbeln und goldenen Applikationen überladener Raum, in dem bis in alle Ewigkeit „Romantically Yours“ läuft, während Twiggy im weißen Tüllkleid immer wieder Tee nachschenkt. Ja, das Grauen kennt viele Gesichter.