Tricky – Angels With Dirty Faces
Einem, der mit der Menschheit auf Kriegsfuß steht, ist alles zuzutrauen. Und Tricky, der laut eigener Aussage nur aus Misantropie kreativ ist, hat auch schon fast alles gemacht: eine ganze Musikrichtung miterfunden („TripHop“), in einem Hollywood-Film auf der Seite des Bösen gekämpft („Das fünfte Element“), sich selbst göttlich überhöht („Nearly God“). Was bleibt noch zu tun? Für Tricky, für uns? Wir sind gewohnt, ihn zu loben. Schließlich hatte er Bewunderung verdient für seine dunkle, enigmatische Musik und für seine Resistenz gegen die Schmeicheleinheiten der Schallplattenindustrie. Tricky ist das, was auf den Pressezetteln anderer Musiker oft wie Hohn klingt, nämlich „eigenständig“.
Es rumpelt, es murmelt: unverkennbar eine Tricky-Platte. Der Sound Of
Bristol ist ein Kellerloch-Sound. Man denkt an Schimmelpilze und Hanfblätter. Die schleppenden Beats klingen, als kämen sie durch eine dicke Wand. Noch immer ist die Finsternis der reguläre Schauplatz für einen Tricky-Song. Noch immer versteht man kein Wort von dem, was er da so brabbelt – aus dieser Einsicht heraus wurden den Vorab-Cassetten diesmal die Texte beigelegt. Polly Harvey ist wieder dabei und singt das Lied „Broken Homes“ wie ein schwarzer Engel. Die Tricky-Texte, man kann sie ja jetzt lesen, ziehen einem sämtliche positiven Gedanken aus dem Gehirn. Es waren sowieso nicht mehr viele.
Also bleibt in Trickys Welt alles, wie es war? Hatte er das Wort Innovation nicht mindestens oft im Munde geführt wie Bill Gates? Aber doch: Trikky hat sich, wie man so sagt, weiterentwickelt Ringels fVith Dirty Faces“ ^ wurde in New York aufgenommen. Dort ansässige Avantgarde-Jazzer wie der Gitarrist Marc Ribot sind jetzt Rickys neue Freunde. Sie waren mit im Studio und haben ein paar von ihren Zutaten in den Topf hineingeworfen. Tricky goes Knitting Factory: Das klingt immer raffiniert, aber manchmal auch sehr nach einer Bewerbung für Montreux. Tricky macht jetzt „richtige Musik“. Ist das der Free Jazz der späten 90er Jahre? Der Jazzrock von morgen? Vielleicht.
Ganz sicher aber ist dieser Schritt in Richtung „Kunst“ eine weitere Stufe in dem gigantischen Welteroberungsplan von Tricky, dem enigmatischen Menschenhasser. 3,0