Tracey Thorn

Record

Caroline

Ein Bericht aus dem Leben einer Frau, die ihre Rolle als Popstar abgelegt hat – und eine große Künstlerin geblieben ist

Als im Januar mit „Queen“ der erste neue Song von Tracey Thorn seit ihrem tollen Album „Love And Its Opposite“ von 2010 zu hören war, konnte man durchaus enttäuscht sein. Klang ein wenig nach Senioren-­Elektronik mit Anklängen an die guten alten Achtziger, als die Sängerin mit ihrem Partner Ben Watt als Everything But The Girl den geschmackvollsten Pop des Jahrzehnts machte (hip wurden sie dann kurz mal Mitte der Neunziger). Und die einleitenden Zeilen: „Here I go again/ Down that road again“, klangen auch nicht gerade, als könnte man eine Kreativexplosion erwarten.

Mehr zum Thema
„Dann zog er seine Hose aus“: So läuft sexuelle Belästigung in der Musikindustrie – Bericht von Viv Albertine
Doch als Epilog zum neuen Album mit dem nur auf den ersten Blick profanen Titel „Record“ ergibt plötzlich alles Sinn. Denn „record“ meint ja nicht nur Aufnahme und Schallplatte, sondern auch Protokoll, und Thorns Werk ist seit der Wiederaufnahme ihrer Solo­karriere mit „Out Of The Woods“ von 2007 genau das: Protokoll des Lebens einer Frau, die ihre Rolle als Popstar abgelegt hat, Mutter geworden und Künstlerin geblieben ist. Aus dieser Perspektive berichtet sie in ihren Songs, aber auch in ihren Kolumnen in der Zeitschrift „New Statesman“ und ihren sehr lesenswerten Büchern, „Bedsit Disco Queen“ und „Naked At The Albert Hall“.

„Love And Its Opposite“ war die Platte über die Midlife-Crisis, „­Record“, wie die Vorgänger produziert von Ewan Pearson, berichtet von der Zeit danach, wenn sich der Blick weitet, das Leben zu einer Erzählung geronnen ist, die ihren Anfang weit vor der eigenen Geburt hat. So handeln die Songs nicht nur von Thorns ersten Versuchen, aus Rollenklischees auszubrechen („Air“), vom ersten Freund („Guitar“), von Verhütung und Kinderwunsch („Babies“) und von der persönlichen Krise, wenn auch der jüngste Sohn flügge wird („Go“), sondern zudem von ihrer Großmutter und ihrer Mutter, den zwei Kriegen, die sie überlebten („Smoke“), und der feministischen Tradition, in die sie sich einschrieb: „I am my mother now/ I am my sister/ And I fight like a girl/ Oh, what year is it?/ Still arguing the same shit“, singt Thorn in dem fantastischen zehnminütigen Discotrack „Sister“ mit der Warpaint-­Rhythmussektion (Jenny Lee Lindberg/Stella Mozgawa) und Co­rinne Bailey Rae als Gastsängerin.

Das ist der absolute Höhepunkt dieses anrührenden und schlauen Protokolls, das konsequenterweise mit einem Track endet, der „Dancefloor“ heißt und nach den guten alten Achtzigern klingt. „Where I’d like to be is on the dancefloor with ­some drinks inside of me“, singt Thorn, und ein Drumcomputer vergießt ein paar Tränen