Townes Van Zandt
Sunshine Boy
Viele der Demo-Aufnahmen seiner Songs waren im Klang gelungener als die späteren LP-Versionen
Wenn jemand so gar nicht die Legende vom heiligen Trinker weiterspinnen mag, dann Guy Clark – nicht vor der Kamera für Barbara Walters und deren Film „Be Here To Love Me“ und auch nicht im Gespräch mit Brian Atkinson für dessen Interview-Sammlung „I’ll Be Here in the Morning: The Songwriting Legacy Of Townes Van Zandt„. In seinen Liner Notes für die im Archiv verschollenen Demos und Studioaufnahmen der frühen 70er-Jahre mag auch Colin Escott nicht an kritikloser Hagiografie des Sängers mitarbeiten. Dass das CD-Set und Escotts Anmerkungen denselben Titel, „Sunshine Boy“, tragen, hat weniger mit grimmiger Ironie als mit dem Umstand zu tun, dass TVZ diesen höchst optimistischen, stilistisch und überhaupt aus dem Rahmen seines Repertoires fallenden Song nie für eine seiner Studio-LPs aufnahm, der also eine Rarität in seiner Diskografie ist. Ziemlich ehrgeizig war er schon, als er Mitte der 60er-Jahre mit seinem Freund Guy Clark und Lightnin‘ Hopkins in Clubs rumhing und jene Songs schrieb, die vor zehn Jahren unter dem Titel „…In The Beginning“ auf dem Compadre-Label veröffentlicht wurden. Von denen schafften es seinerzeit nur wenige auf die sechs LPs, die er zwischen 1968 und 1972 veröffentlichte. Unzufrieden mit der Produktion von Jack Clement, nahm er etliche Songs noch mal für kommende LPs auf. Weil der trunk- und drogensüchtige Songschreiber sich keine große Zukunft einräumte, ließ er sich für die sechste Platte den launigen Titel „The Late Great Townes Van Zandt“ einfallen.
Mit „No Lonesome Tune“, „Snow Don’t Fall“, „If I Needed You“ und „Poncho & Lefty“ (sic!) hatte er dafür im Verlauf seiner bisher kreativsten Phase einige jener zeitlosen Ohrwürmer geschrieben, die seinen Nachruhm begründen sollten. Davon findet man hier nicht nur die meisten, sondern auch frühe Coverversionen von Songs, die er bis zum Schluss im Bühnenrepertoire behielt, unter anderem „Dead Flowers“, aber auch die nur hier auftauchenden von Jimmie Rodgers‘ „T For Texas“ und Bo Diddleys „Who Do You Love“, bei diesen famosen Studioproduktionen von erstklassigen Cracks begleitet. Schockierend ist allerdings, dass diese neuerdings entdeckten Outtakes und Alternativ-Mixes – teilweise ganz neu abgemischt, das Mastering besorgte Gavin Lurssen – beinahe durchweg um Klassen besser klingen als die in all den Jahren von Tomato, Rhino und United Artists veröffentlichten CDs mit den offiziellen Fassungen.
Dass Jack Clement und Kevin Eggers als damalige Executive Producer nicht diese hochkarätigen, ohne spätere Overdubs verunstalteten Takes als final masters benutzten, lässt an deren Sachverstand nachträglich noch mehr zweifeln, als es Colin Escott in die Liner Notes ohnehin vorsichtig andeutet. (Cherry Red)