Tom Rachman :: Aufstieg und Fall großer Mächte
Der behagliche, blumig-poetische Ich-erzähle-Dir-jetzt-mal-eine-schöne-Geschichte-Ton, mit dem dieser Tom Rachman anhebt, wirkt wie eine Verbeugung vor Charles Dickens. Und ähnlich wie die Arbeiten des großen Briten ist der erste wirkliche Roman des 1974 in London geborenen Autors durchsetzt mit Ausflügen ins Humoristische, sodass all jene, die seinen furiosen autobiografischen Erstling, „Die Unperfekten“, mochten, zunächst einigermaßen irritiert sein werden angesichts des geradezu altmeisterlichen Tons, den der 40-Jährige nun anschlägt. Da ist nur noch wenig von der kühlen amerikanischen Art und Weise, mit der er in diesem episodischen Reigen von 2010 das Innenleben einer kleinen, im Herzen Roms ums Überleben kämpfenden Zeitungsredaktion beschrieb.
Gegen solche Veränderungen ist ja erst mal wenig einzuwenden, doch dem ziegelsteindicken „Aufstieg und Fall großer Mächte“ geht dummerweise irgendwann die Puste aus, sodass das epische Werk über fast 500 Seiten hinweg betrachtet seltsam heterogen wirkt: hier der Gestus des eine gewisse Kaminfeuerromantik erzeugenden Geschichtenonkels, dort der des kühl und wie selbstverständlich mit Begriffen der Neuzeit operierenden Erzählers. Doch worum geht es überhaupt?
Tom Rachman rekonstruiert in „Aufstieg und Fall großer Mächte“ in langen Rückblenden die Geschichte von Tooly Zylberberg, der skurrilen, vor sich hin träumenden und wenig geschäftstüchtigen Besitzerin einer kleinen, sympathisch verschlafenen Buchhandlung namens World’s End irgendwo auf dem Lande in Wales. Ihr Leben birgt viele Geheimnisse, die Rachman nach und nach enthüllt. Bevor sie in dem walisischen Nest ihren ruhigen Hafen fand, war Tooly eine entwurzelte Existenz, ein Wesen ohne festen Grund unter den Füßen, an der Seite ihres Vaters auf dem Weg von einer Metropole in die nächste, meist auf sich allein gestellt.
Aus den kleinen, liebevoll angelegten Porträts jener nicht selten kauzigen Existenzen, die Toolys Weg bis nach Wales säumen, montiert Rachman das Bild einer nicht mehr ganz jungen Frau, die erst in der Rückschau verstehen lernt, wer sie war, um die werden zu können, die sie schließlich geworden ist. Das Resultat ist eine stellenweise betörende Schnurre, wie man sie gern an langen Winterabenden liest. Wer indes gehofft hatte, Rachman, der zweifellos das Zeug dazu hätte, würde mit einem wuchtigen, realistischen Roman nun endgültig in das Franzen-/Eugenides-/Foster-Wallace-Segment vorstoßen, sieht sich getäuscht. (Übersetzung: Bernhard Robben, DTV, 21,90 Euro)