Tom Liwa

„Primzahlen aus dem Bardo“ – Starke Stimmen

D,DMFK/Bandcamp (VÖ: 21.7.)

Eine Symbiose aus Poesie und psychedelischem Folkrock.

Ein neues Album von Tom Liwa zu hören ist wie eine Schatzkarte finden: Es gilt zunächst herauszubekommen, wie herum man es halten muss, bevor die Suche beginnen kann – mit diesen leuchtenden Texten als Fackel. Auf „Primzahlen aus dem Bardo“ erschafft er eine ganze Welt. Die Schatzkarte ist also genau genommen eine Weltkarte; die Kontinente darauf docken sanft an „Eine andere Zeit“ (2022) an. Die Referenzen, etwa die Reinkarnation von Protagonist:innen, zeigen sich den Achtsamen. Genau hinhören war schon immer von Vorteil, wenn man Liwas Werk in seiner vollen Schönheit begreifen und erleben will.

Liwas Lieder sind Expeditionen, die in ihrem Freiheitsdrang ein Zuhause finden

Neu ist die Leuchtturmband mit Björn Ehlen an der Gitarre, Angela Gobelin am Bass und Lars Plogschties am Schlagzeug, ergänzt von Vibrafonist Stefan Horlitz. Jede musikalische Formation, die Liwa um sich schart, wird intuitiv zu einem symbiotischen Orbit. Dass er die zusätzliche „starke Stimme“, deren Präsenz er sich an seiner Seite wünschte, in der Saxofon-Virtuosin Luise Volkmann fand, ist überraschend, erweist sich aber schon im Eröffnungsstück, „Hemil“, als großes Glück. Die Musik fließt und floriert: zumeist akustischer psychedelischer Folk­rock, gespeist aus spirituellem Jazz der Spätsechziger und Siebziger, Letzterer besonders betörend in „Mari On“.

Liwas Lieder sind Expeditionen, die in ihrem Freiheitsdrang ein Zuhause finden: „­Space Cze­chovs“ und „Binnen Meis­je“ erstrecken sich jeweils auf elegische 14 Minuten. Dieses Doppelalbum ist wie ein vertonter Kurzgeschichtenband mit Langzeitwirkung, wieder superindependent via Bandcamp veröffentlicht, wo man nicht nur den Tonträger, sondern noch weitere, albumbegleitende Produkte ordern kann. Mit den wort- und geistreichen Lyrics der zwölf Stücke, die von zwei Instrumentals komplettiert werden, könnte man dieses Heft mühelos vollschreiben. Und allein schon eine einzige Zeile daraus könnte imstande sein, eine entscheidende Erkenntnis zu pflanzen, ein ganzes Leben in die richtige Richtung zu verändern. Welche Zeile das ist? Das muss man schon selbst ­herausfinden.