Throbbing Gristle
„TGCD1/The Third Mind Movements“
Mute (VÖ: 23.8.)
Der Nachlass der Industrial-Pioniere hat viel zu bieten.
„Industrial Records begann als Untersuchung“, schrieb Genesis Breyer P‐Orridge 1986 in den Linernotes zu „TGCD1“, der ersten CD-Veröffentlichung des Kollektivs. „Die vier Mitglieder von Throbbing Gristle wollten herausfinden, inwieweit man Klänge mutieren und collagieren, komplexe, nicht unterhaltsame Geräusche in einer populärkulturellen Situation präsentieren und damit überzeugen und bekehren kann. Unsere Platten waren Dokumente von Haltungen, Erfahrungen und Beobachtungen von uns und anderen entschlossenen Außenseitern. Mode war ein Feind, Stil irrelevant“. Throbbing Gristle untersuchten Musik auch als Geschäftsphänomen, ihr Label Industrial Records war zugleich Parodie und Verbesserungsvorschlag. „TGCD1“ enthält zwei lange Stücke, die am 18. März 1979 in den Martello Street Studios auf einem TEAC-Achtspurrekorder aufgenommen wurden. Musik, die weniger durch krasse Störgeräusche auffällt als durch unterschwellig grabende, pochende und schleifende Sounds. Eine Art Trance-Musik aus den finstersten Winkeln urbaner Orte, mit ganz eigenem, oft beruhigendem Reiz.
„The Third Mind Movements“ klingt dagegen deutlich songorientierter. Das Album entstand 2007 im Londoner ICA im Rahmen der „Desertshore“-Sessions, einer Hommage der 2004 reformierten Band an das gleichnamige Album von Nico. Vor allem „The Man From Nowhere“ und die drei Movements von „The Third Mind“ haben eine enorme magische Kraft. Man denke an Musik und Cover des im gleichen Jahr veröffentlichten Albums „Part Two“, das den tibetanischen Berg Kailash zeigt. Im Hinduismus gilt dieser traditionell als Wohnsitz Shivas. Ähnlich entrückt sind die Klänge, die Throbbing Gristle hier mittels zerdehnter, zerhackter Samples und hypnotischer Beats zelebrieren, die so ewig und gleichmütig fließen wie die Wasser des Himalaja. Zwei essenzielle Alben und ein weiterer Beweis, dass die Bands des Industrial-Genres Throbbing Gristle nie wirklich verstanden haben.