Thomas Leer & Robert Rental
„The Bridge“
Mute (VÖ: 18.3.)
Einziges Album des Avantgarde-Duos von 1979
„Alle ungehörigen Geräusche wurden von Kühlschränken und anderen Haushaltsgeräten erzeugt und sind Teil der Musik“, schoben Thomas Leer und Robert Rental süffisant als Begleittext auf der Plattenhülle hinterher, als sie 1979, von der Macht des Zufalls getrieben, ihre bis heute rätselhafte Lo‑Fi-Anarchie auf Scheibe pressten. Die gegensätzlichen Musiker lernten sich in Port Glasgow als Gärtner kennen, teilten nicht nur ihre Leidenschaft für Gras, sondern auch für psychedelische elektronische Musik. In London halfen sie sich gegenseitig als Solomusiker. Ein Treffen mit Mute-Gründer Daniel Miller und Throbbing Gristle bei einem ihrer chaotischen Konzerte wurde dann zum Gamechanger.
„The Bridge“ spiegelt die unterschiedlichen kreativen Möglichkeiten ihrer Schöpfer nahezu perfekt wider
Miller stützte Leers Vorstellung von einem mit Synthesizern befeuerten Electro-Punk, das Duo bekam über Industrial Records, das Label, über das Throbbing Gristle ihre eigene Musik in die Welt sendeten, die Chance, ein gemeinsames Album aufzunehmen. Dafür wurden sie mit einem Wasp Synthesizer, einer Gitarre und einem Achtspurrekorder ausgestattet. Das aus dem kreativen Furor entstandene „The Bridge“ spiegelt die unterschiedlichen kreativen Möglichkeiten ihrer Schöpfer nahezu perfekt wider, ist deshalb wohl auch konsequent in zwei unterschiedliche Hälften geteilt.
Songs wie „Monochrome Days“ kreuzen auf der einen Seite paranoiden Synth-Pop mit stacheligen Industrial-Experimenten und rohem Gesang. Das klingt auch durch die minimalistische Aufnahmetechnik durchaus schrullig. Die zweite Hälfte ist gefüllt mit pulsierenden Ambient-Stücken. Stücke wie „Interferon“ könnten bei einer Session der Silver Apples verloren gegangen sein, „Perpetual“ erinnert hingegen an Brian Eno (der als Einfluss wichtig ist, weil die Musiker ohne einen Schaltplan für ihr Equipment, den sie auf der Rückseite von Enos „Discreet Music“ fanden, wohl verzweifelt wären). Bleibt die Frage, warum dieses historische Album – das einzige gemeinsame der Musiker – erst nach Jahrzehnten neu aufgelegt wird.