The Town
Regie: Ben Affleck
Warner DVD, 24. Januar 2011
Die Karriere von Ben Affleck gehört zu den widersprüchlichsten in Hollywood. Er spielte schon als Kind kleine Fernsehrollen, drehte mit Indenpendent-Filmern wie Richard Linklater („Dazed And Confused“) und Kevin Smith („Mallrats“), gewann mit Matt Damon überraschend den Oscar für ihr Drehbuch zu „Good Will Hunting“ und galt spätestens seit „Armageddon“ als Sexsymbol auf dem Weg zum Superstar, wozu auch der Klatsch um seine Beziehungen mit Gwyneth Paltrow und vor allem Jennifer Lopez beitrugen. Blockbuster wie „Pearl Harbor“, „Paycheck“ und „Daredevil“ brachten ihm Millionengagen, aber schlechte Kritiken ein, und mit dem Flop „Gigli“ schien sein Stern schon wieder zu sinken. Dabei zeigte er nicht nur als Schauspieler in den Dramen „Die Hollywood-Verschwörung“ und „State Of Play“, sondern auch bei seinem Regiedebüt „Gone Baby Gone“ mit seinem jüngeren Bruder Casey in der Hauptrolle, was für eine Klasse er hat.
Talent, Geschmack und Reife beweist der mittlerweile 38-jährige Kalifornier auch in seiner zweiten Regiearbeit „The Town“, der als Thriller mit dramatischer menschlicher Tiefe von Bankräubern im Bostoner Arbeiter- und Ganovenvorort Charlestown erzählt. Affleck selbst spielt den Anführer Doug MacRay, der mit seinen Komplizen gleich am Anfang eine Bank überfällt und die Filialleiterin Claire (Rebecca Hall) als Geisel mitnimmt. Da sie allerdings ebenfalls in Charlestown lebt, begegnet Doug ihr Tage später zufällig in einem Waschsalon. Er verabredet sich mit ihr zum Essen. Anfangs mag es nur Neugier sein zu erfahren, ob sie ihn als Zeugin wiedererkennt. Dabei entwickelt sich aus ihren Treffen eine zaghafte Romanze. Doug will aussteigen, was zum Konflikt mit seinem impulsiven Kumpel Jam (Jeremy Renner) und dem alten Paten (Pete Postlethwaite in seiner letzten Rolle) von Charlestown führt.
In ihren Grundzügen ist die Story einfach und etwas klischeehaft, aber auch klassisch und typisch für dieses Genre. Bemerkenswert ist jedoch, wie Affleck in der Tradition der 70er-Jahre die Figuren wahrhaftig entwickelt und seinen Gangsterfilm zu einem großen Drama macht. Wie in „Good Will Hunting“ und „Gone Baby Gone“ fängt er authentisch Bostons sozial schwaches Milieu ein. Viel Zeit lässt er sich für die Gefühle zwischen Claire und Doug, deren Gespräche von Sensibilität und Spannung zugleich geprägt sind. Sie erzählt ihm vom Tod ihres kleinen Bruders, er vom plötzlichen Verschwinden seiner Mutter. Sein Vater (Chris Cooper) sei später an den „Stadtrand gezogen“, der sich dann als Knast entpuppt.
Als sie ihm beichtet, beim Überfall das Nackentattoo von Jam gesehen, dies aber dem FBI verschwiegen zu haben, zählt er ihr nur mit kühler Stimme die Vor- und Nachteile auf. Die nicht selten langen Dialoge sind eine große Stärke des Films, der aber auch voller grandioser Actionszenen ist, die in ihrem elektrisierenden, brutalen Realismus an „Gefährliche Brandung“ und „Heat“ erinnern. Doch über der eruptiven Gewalt liegt immer ein tragischer Schatten. So hat Ben Affleck seiner unsteten Karriere ein respektables Kapitel hinzugefügt. Ohne Extras.