The Strokes
First Impressions Of Earth
Die New Yorker Schlamper rupfen jetzt den Classic Rock
Am coolsten sind immer noch die, die früh gestorben sind. Vor vier Jahren wurden die Strokes aus New York mit empörender Selbstverständlichkeit die Kings der Welt, weil sie – auch im übertragenen Sinn – an den jeweils richtigen Stellen wuschlig und mager waren. Sie sind immer noch da, und bizarrerweise ist das ihr größtes Pech, denn: Dableiben ist von Natur aus uncool. Wer dableibt, muß irgendwann richtig geliebt werden und liebenswerte Dinge tun. Das Letzte, was man von den Strokes erwarten kann.
Das erklärt die Verunsicherung, die schon das zweite Album „Room On Fixe“ auslöste die einen fanden es langweilig, die anderen fanden alles wieder: die gegeneinander Tischtennis spielenden Gitarren, das Schlag-Zeug im Stil einer überkorrekten Drum-Maschine, den träge mummelnden Gesang. Die Maschinenhaftigkeit, als ob japanische Affen durch ein Trichterglas hindurch New-Wave-Karaoke machen. Historisch bedingt waren die Strokes genau deshalb die bedeutendste US-Rockband seit Nirvana, weil ihre Musik eben nichts zu bedeuten schien. Das wurde ihr Problem, das wollen sie nun ändern.
Und das Erste, Oberflächlichste, nicht mal Unwichtigste, was man über „First Impressions Of Earth“ sagen kann: Es hat bunte Lichter, die durch die Hemd-Krawatten-Uniform flimmern.
Es klingt nicht nur abwechslungs- und variantenreicher als andere Strokes-Platten, auch als alles, was derzeit in indirekter Nachfolge als Old-Timey-Style-Garagenrock gemacht wird. Wie wenn die Band geplagt vom neuen Produzenten David Kahne plötzlich erkannt hätte, daß sie einen Entertainer-Auftrag hat. Und weil Abwechslungsreichtum im Pop immer ein Oberflächen-Phänomen ist, verschonen uns die Strokes konsequenterweise mit der Adaption fremder Stile, mit vorgetäuschter Tiefe im Kern von allen 14 Stücken steckt ein strokesiger drei-vier-Akkorde-Schlamper, eine übernächtigte Melodie, diese typische Halbschlaf-Attitüde. Schräg sind sie ja nie. Keine großen Liederschreiber, aber eben auch keine Sentimentalisten.
Jetzt greifen sie sich den Classic Rock, den Airbrush-Adlerkopf vom Motorrad, saugen ihm das Pathos raus und spucken es ins Kröpfchen. Queen, U2, Barry Manilow sind diesmal die Geister, die achtlos eingeflochtenen Fragmente. Der 7oer-Süßigkeiten-Rock von Sweet, Thin Lizzy, im großartigen „Red Light“ mit seinen Doppel-Gitarren und Julian Casablancas‘ gelangweilter Agitation „Do it for the people that have died for your sake/An entire generation that has nothing to say“. „15 Minutes“ klingt wie ein aus dem Gulli hallendes Stax-Soulstück, bevor die Band in der zweiten Hälfte auf einmal durchschlägt: der physikalisch unmögliche Sound einer langsamen Explosion, der dieses Album durchzieht. Disco-Baß und ein Seemannskneipen-Refrain in „On The Other Side“ („I hate myself for hating them“), überall das Jubilieren der Gitarren und erste, demonstrativ teilnahmslose Übungen im Hair-Metal-Solo, das Pop-Menuett „Ask Me Anything“, bei dem der Sänger nur vom Mellotron begleitet wird, das ein Valium-gefülltes Streichquartett imitiert.
Nichts geändert, doch sie klingen wie neu. Und die Kids wissen selbst noch nicht, daß sie das wollen. Cool, (sony BMG)