The Police: „Synchronicity“ – So gut ist die erste Police-Deluxe-Edition

Universal (VÖ: 26.7.)

Der größte Triumph von Police?

Angeblich verdient Sting durch „Every Breath You Take“ 25.000 Dollar pro Tag. Andy Summers wurmt das bis heute. Er verdient mit diesem Song keine 25.000 Dollar pro Tag. Und ist zu Recht sauer. Es ist nicht nur Stings Melodie, sondern auch Summers‘ klebrige, wunderschön klebrige Gitarrenbegleitung, die das Stück definiert. Aber wie klasse es ist: nur Strophen, kein Refrain, dafür ein 20-sekündiger Gefühlsausbruch mittendrin. Oder besteht es doch nur aus einem einzigen, sich wiederholenden Refrain – mit Disruption in der Mitte? Man kann es nicht sagen. Der Song widerlegt jeden Beweis, dass es „Hitformeln“ gibt.

The Police: die einzige Superstar-Band, die sich nach ihrem erfolgreichsten Album aufgelöst hat. Auch wegen Streit um solche Tantiemen und Anerkennung individueller Leistungen (Summers deutete im Dezember 2023 an, dass man sich im Gericht wiedersehen könnte).

Und deshalb ist „Synchronicity“ nicht ihr bestes Werk geworden. Es hat zwar ihre drei größten Lieder (1. „Synchronicity II“, 2. „Synchronicity I“, 3. „Wrapped Around Your Finger“), aber auch lästige Experimentalbeiträge von Sting, der „O my God“ als Jazzrock anlegte, sowie von Summers und Stewart Copeland, die extrem versierte Musiker, aber mittelmäßige Songschreiber sind. Summers bat immer um Beifall, selbst in seinem kümmerlichsten Lied, „Sally“ auf „Outlando’s Amour“ von 1978, hier schreit stattdessen seine „Mother“.

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Copeland komponierte längst Soundtracks und erdachte mit „Miss Gradenko“ einen mauen Thriller-Song über Kalter-Kriegs-Agenten. Das Thema jedoch war gut, 1983 stand die Welt so kurz vor dem nuklearen Armageddon wie noch nie. Man kann darüber streiten, ob jene für die britische Satire-Sendung „Spitting Image“ aufgenommene „Every Breath You Take“-Alternativfassung „Every Bomb You Make“ nicht die gelungenere ist. Nur der „Since you’ve gone, I’ve been lost without a trace“-Ausbruch fehlt, die Passage ist rein instrumental. Vielleicht, weil der Sehnsuchtsbezug zu den Atommächten hier fehl am Platze wäre.

Die „Bomb“-Version ist ein Bonusstück von 55, die dieser endlich erschienen, ersten Deluxe-Version einer Police-Platte beiliegen. „Every Breath You Take“ ist einer der populärsten Popsongs aller Zeiten. Und erst jetzt, 31 Jahre nach Veröffentlichung, gibt es Demoversionen davon zu hören. Einiges andere ist bekannt, wie der Pop-Remix von „Truth Hits Everybody“, die fantastische B-Seite „Once upon a Daydream“, in der Sting den Mord am Vater seiner Freundin fantasiert, was ihn selbst so erschrak, dass das Lied nicht auf der LP landen sollte (als wäre Summers‘ „Murder by Numbers“ freundlicher), sowie Summers‘ Outtake „Someone To Talk To“, wie zu erwarten larmoyant und bedröppelt, aber zumindest tanzbar. Die auch enthaltene Frühfassung „Goodbye Tomorrow“ nimmt im Titel die Bandtrennung bereits vorweg.

Die hohe Songwriting-Kunst Stings

Neu sind die Demos der Albumtracks, darunter fünf von „Synchronicity II“ (danke, Herr!), jede essenziell, viele wie üblich von Sting am Synthesizer und ohne Copeland und Summers eingespielt. Es gibt sogar erstmals eine (Ambient-)Vertonung des Bösen im Gewässer, von dem Sting singt: „Many miles away /Something crawls to the surface /Of a dark Scottish loch“. Laut Summers soll dieser Sound tatsächlich das Loch-Ness-Monster darstellen. Größenwahn? Ist nur metaphorisch gemeint, sagte Sting, es steht für die Wut einer Vaterfigur …

Stings Keyboard-Fanfaren-Demo von „Every Breath You Take“ fehlt tatsächlich die Eleganz von Summers‘ Gitarrenarbeit, die angeblich inspiriert war von Bela Bartok. Dafür ist streitbar, ob „Tea in the Sahara“ in der staubtrockenen, sehr verlangsamten Albumversion wirklich gelungener ist als jene Urfassung mit Summers‘ Arpeggios. Ebenso enthalten: eine Backing-Track-Fassung von „Roxanne“, also eine unpassende Eingliederung eines fünf Jahre älteren Lieds. Was die Befürchtung weckt, dass es keine eigenständigen Reissues der vorangehenden vier Police-Alben geben könnte.

Anders als zu „Ghost in the Machine“ (1981) waren die „Synchronicity“-Demos, die gerade Summers veredeln sollte, jedenfalls noch nicht im Netz. Der „Alternate Mix“ von „Wrapped Around Your Finger“ belegt, wie schon das Original, die auf Perfidität abzielende Songwriting-Kunst Stings. Im dramatischen Finale beteuert er die Umkehrung der Machtverhältnisse („ICH habe jetzt DICH um meinen Finger gewickelt!“), doch das Dub-Outro verweist auf den Anfang: Alles nur ein Traum, man bleibt gefangen.

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The Police waren – bis zu ihrer Reunion 2009 – eine der größten Live-Bands, was auch das beigefügte Oakland-Audiokonzert der „Synchronicity“-Tour dokumentiert; wenngleich das Set ähnlich strukturiert ist wie der Atlanta-Auftritt, 1995 auf dem „Live!“-Album erschienen. Schade, dass ein Bühnenvideo fehlt – man musste dieses Trio einfach sehen. Sting trug 1984 bunte Mad-Max-Kostüme, sah aus wie ein apokalyptischer Vogel.

Es war seine Art, David Lynchs Dreh von „Dune“ zu verarbeiten, wo er in der mexikanischen Wüste einen Tyrannen verkörperte. Stings beste Zeit. Als Musiker, als Konzeptualist, als Schauspieler. Und als Tyrann. Er würde das nie zugeben.