The Police
Ghost In The Machine
Natürlich war es Andy Summers, der jammerte. „Mich hat die musikalische Entwicklung des Albums enttäuscht“, sagte der Gitarrist. „Durch die Bläser und Synthesizer blieb dieses fantastische, rohe Trio-Feeling auf der Strecke. Das Kreative und Dynamische – verloren.“ Schlagzeuger Stewart Copeland und er seien zu Backgroundsängern geworden. Deren einzige Aufgabe darin bestünde, Stings Pop-Entwürfe zu unterstützen.
Summers lag nicht wirklich richtig. Vielleicht hatte er Recht, was seine und Copelands Rolle angeht – Streit lag ja immer in der Luft, und bis zu Stings erstem Soloalbum würden nur noch vier Jahre vergehen. Aber fehlende Dynamik? Die zweite LP-Seite von „Ghost In The Machine“ dürfte die schlankeste, fitteste und kraftvollste sein, die The Police je veröffentlichten.
Selten marschierte die Band derart zielstrebig durch 16 Minuten, wie in „Too Much Information“, „Rehumanize Yourself“, „One World (Not Three)“ und „Omegaman“ – keine Pause, für niemanden. Wie Hi-Energy, bloß ohne Disco. The Police boten weiter ihren Trio-Punk, der nun Bläser nutzte, diese aber in Schach hielt; die Gitarre-Bass-Schlagzeug-Komposition ist jederzeit spürbar.
„Too Much Information“ machte aus Sting den „Tcha! Tcha! Tcha!“-Vokalisten, wie wir ihn heute kennen, sobald ihn Geschwindigkeit berauscht; „Omegaman“ (oder das A-Seiten-Stück „Demolition Man“) besangen, möglicherweise ironisch, das Muskulöse, das XY, aber auch Richard Mathesons Roman „Ich bin Legende“, Darwin und das Überleben des Stärkeren.
Und immer mehr Lieder drehten sich um Politik. Die Band dachte in größeren Maßstäben als auf den ersten drei Alben. Etwas schematisch vielleicht in „One World (Not Three)“ mit der Zeile „The Third World Breathes Our Air Tomorrow“; einen Tick zu schwammig mit „Spirits In The Material World“ („There Is No Political Solution / To Our Troubled Evolution“) – aber auf den Punkt genau in „Rehumanize Yourself“. Klassengesellschaft in Großbritannien, Fabrikarbeit, gewalttätige Polizisten, Neo-Nazis („Billy’s joined the National Front /He always was a little runt“) – alles drin, dazu die dem Punk entliehene Slogan-Artigkeit des Titels. 1981 neben „Ghost Town“ der Specials ein weiterer, deutlicher Kommentar zu Verrohung und Verwahrlosung auf der Insel.
„Ghost In The Machine“ verzeichnete mit „Every Little Thing She Does Is Magic“ den bis dahin größten Police-Hit in den USA (Platz drei), und mit ihrem Cover von „Demolition Man“ huldigte auch Grace Jones, im selben Jahr, der Band (Sting ließ sie den Song fünf Monate vor ihm veröffentlichen). Auch Jones’ bahnbrechendes Album „Nightclubbing“ war durch seine sexuelle Aggression, der Umkehrung der Geschlechterrollen, aber auch in seiner Todessehnsucht fast mehr Punk als Reggae. Sting schrieb „Demolition Man“ übrigens, wie Wikipedia ohne Grund für die Erwähnung hervorhebt, in dem Anwesen Peter O’ Tooles in Irland. Vielleicht, weil man daraus ablesen dürfe, wie Sting zum Kosmopoliten wurde, der an jedem Ort dieser Welt über jedes Thema schreiben kann.
Dennoch wird „Ghost In The Machine“ heute weniger als Meilenstein denn als Transit-Werk aufgenommen. Manche Kritiker wünschten sich 1981 schon die minimalistischen, frühen Singles wie „Walking On The Moon“ zurück. Andere sehnten sich bereits nach dem großen Pop, wie sie die Lieder auf „Synchronicity“ (1983) bieten würden, der letzten Police-Platte. Im Netz finden sich etliche Outtakes aus dieser produktiven Phase von 1981, mit „Don’t Give Up Your Daytime Job“ auch Alben-würdiges Material. Allein, die Melodie beschrieb ein Frühstadium von „Every Little Thing She Does Is Magic“.
Carl Jung und Gilbert Ryles – Sting weiß Bescheid
„Synchronicity – Spiritus mundi“, hieß es darauf. Ein Verweis auf den Psychoanalytiker Carl Jung und dessen Schriften. Sting war der Sohn eines Milchmanns, er wurde erst Lehrer und verhältnismäßig spät, mit 27, zum Star. Er kokettierte von Anfang an mit einer Herkunft ohne Bildung, stapelte tief („that famous book by Nabokov“ in „Don’t Stand So Close To Me“ – als würde es jemanden gelehrter erscheinen lassen, wenn man Bücher bei Namen kennt).
Für „Ghost In The Machine“, dem „Gespenst in der Maschine“, bediente Sting sich bei Gilbert Ryles – die Formulierung ist heute bekannt, auch wenn nicht jeder die Philosophie dahinter kennt (fragen Sie bitte schon gar nicht den Autoren dieser Zeilen). Aber es war eben auch Sting, der sie in die Musik überführte und den Leuten vorstellte.
Und: 1981 ergab es sich zum ersten Mal, dass man als Fan einen Albumtitel von Police gerne aussprach. Wirklich, ohne sich blöd vorzukommen. „Ghost In The Machine“ klang sogar recht klug.
„Zenyatta Mondatta“ – nicht im Ernst, oder?