The Folk Implosion

„Walk Thru Me“ – Zurück in die Stube

Joyful Noise/Cargo (VÖ: 28.6.)

Betont beiläufiges Comeback von Lou Barlows Neunziger-Home­recording-Projekt.

Es scheint geradzu konsequent, dass dieses Stubenhockerprojekt, das Mitte der Neunziger mit seinem Beitrag für den Sound­track zu Larry Clarks und Harmony Ko­rines hochumstrittenem und kultisch verehrtem Coming-­of-­Age-­Drama „Kids“ einen Hit landete, im Lock­down wieder zusammenfand. Lou Barlow, König des Home­recor­ding und Prinz der letzten wirklich großen und lauten amerikanischen Rockband, Dino­saur Jr., und der ehemalige Bibliothekar John Davis, der mittlerweile als Lehrer arbeitet, haben über zwei Jahrzehnte nach ihrem letzten Album ganz beiläufig ihre Zusammenarbeit wieder aufgenommen und 2022 eine EP veröffentlicht, auf der sie so klangen wie ehedem: eine klassische Indie-­Rock-­Band mit Liebe zu New Wave und psychedelischen Songwritern.

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Natürlich bringt auch „Walk Thru Me“ nun keine großen Überraschungen. Schon die erste Single, „Moon­lit Kind“, erinnerte mit rollendem Basslauf, simplem Drum-­Machine-­Rhythmus und Heim­orgel an den „Kids“-Hit „Natural One“. Die alte Formel funktioniert noch: Davis kitzelt Barlows melodische Seite hervor, und der revanchiert sich, indem er seinem zum Ephemeren neigenden Partner ein wenig Gewicht verleiht.

Die zehn neuen Songs taumeln bedächtig wie Staub im Sonnenlicht

Die zehn neuen Songs taumeln bedächtig wie Staub im Sonnenlicht. Die Gitarren schimmern durch flüchtige Billo-Synthie-Sphären, die Rhythmen sind gemächlich. Melancholiker Barlow singt aus Innenwelten, über Freude und Verantwortung des Vaterseins („My Lit­tle Lamb“) und natürlich über Selbstzweifel; Psychedeliker Davis wendet den Blick nach außen, schaut im fabelhaften „Bob­ble­head Doll“ auf die ideologisch verseuchte amerikanische Massenkultur und in „Water Tor­ture“ auf den Militärkomplex, mischt Noam Chomsky mit Mid-Eigh­ties-­Bowie und Devo. Wenn er in „The Day You Died“ zu weinenden Gitarren und treibendem Beat vom Sterben seines Vaters berichtet, führt ein sehr nach Barlow klingender Mittelteil in die Transzendenz.

Man merkt, wie sie sich ergänzen und durchdringen. „What’s be­come of the ­heart?“, fragt Barlow in „The Fa­ble And The Fact“, das man sich in einem dynamischeren Arrangement auch als Hymne seiner Band Seba­doh vorstellen könnte. „Fal­ling ­apart ­since ­we’ve been gone.“ Sie haben das Herz wieder zusammen­gesetzt.