The Doctorella
„Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ – Referenzen-Himmel
Bohemian Strawberry (VÖ: 20.9.)
Haltungsstarker Indie-Rock der famosen Grether-Schwestern.
„Der Text ist immer noch unsere Party! Lyrisches Empowerment ist uns genau so wichtig wie feministisches“, hat Kersty Grether neulich im Interview mit der „Taz“ gesagt. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester, Sandra, war die Songwriterin und Autorin eine der prägenden Frauen der Hamburger Schule, ein journalistisches Sprachrohr des aufkeimenden Pop-Feminismus in „Spex“. Auch wegen Sandras Band Parole Trixi galten die Grether-Schwestern als Brückenkopf der Riot-Grrrl-Bewegung in der weitgehend von Männern dominierten deutschen Indie-Szene. In Sachen Haltung hat sich bis heute nichts geändert: Seit 2017 veranstalten die Grethers in Berlin die Minifestival-Reihe „Ich brauche eine Genie“, die Musik von Frauen feiert und fördert.
Die Musik ist charmant rumpelnder Indie, voller popkultureller Referenzen und Haltungen
Und dann gibt es auch noch den popliterarischen Salon „Krawalle und Liebe“ sowie diverse Buchveröffentlichungen. Doch das Herzstück der schwesterlichen Zusammenarbeit ist seit 2008 die vierköpfige Band The Doctorella, das „The“ im Namen ist gerade frisch dazugekommen. Wie die Vorgänger lebt auch „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ vom Enthusiasmus und Charisma der beiden Sängerinnen, Songwriterinnen und Musikerinnen. Die Musik ist charmant rumpelnder Indie, voller popkultureller Referenzen und Haltungen – auch wenn die nicht immer ganz rundlaufen: „Ich schaff Herrenmenschendeutschland ab wie Kathleen Hanna.“ Sandras Songs sind oft etwas zupackender, so wie das rockende „Saint White Male“ oder das heitere „Komm, wir kaufen Sommerkleider“.
Kersty setzt eher auf Melancholie und Chanson und ist dabei schon mal nahe bei der Kollegin Stella Sommer: „Wenn wir tot wären, wo wären dann unsere Lieder? Würde irgendwer sie immer wieder hörn? Oder würden sie nur beim Prokrastinieren störn?“, fragt sie in „Wenn wir tot wären“. „Mondscheinpsychose, Bordsteinrose“ ist nicht einfach nur ein Album voller hübscher Songs, das man nebenbei weghört. Eher ist es ein Aufruf, Teil der Grether-Welt zu werden, tief einzusteigen in Querverweise und Insider-Details. Das muss man schon mögen.
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