The Cure

Wild Mood Swings

Das zehnte Studioalbum der Band würde wahrscheinlich bei jedem Voting zur Cure-Diskografie auf dem letzten Platz landen.

In einem Interview auf die Bedeutung des The-Cure-Albums „Wild Mood Swing““ angesprochen, sagte Robert Smith, immerhin elf Jahre nach Veröffentlichung der Platte: „Es ist eines meiner fünf liebsten Alben.“

Welche anderen vier dazugehören, verriet der Sänger nicht. Aber die meisten konnten darüber nur die Köpfe schütteln. „Wild Mood Swings“? Trompeten, Samba, wie Glocken klingende Keyboards?

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Das zehnte Studioalbum würde wahrscheinlich bei jedem Voting zur Cure-Diskografie auf dem letzten Platz landen. Zu bunt, zu karnevalesk die Songauswahl, das sind gängige Vorwürfe.

Aber wird das „Wild Mood Swings“ gerecht? Selbst die wirklich swingende Vorabsingle „The 13th“ beschreibt zu herrlichen Bläser-Fanfaren … einen Mord. Das Werk erhielt eine Deutung, die auf viele der 14 Lieder nicht zutrifft. Es ist keine Happy-Platte.

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Aber natürlich ist es eine Happy/Sad-Platte. Es geht eben nicht nur um Swing, es geht um „wilde Gemütsschwankungen“. Drogen und Tod („Numb“), grenzenlose Gier („Want“ mit seiner tollen Zeile „I Want Blood Instead Of Rain“) und, klassisches Cure-Sujet, den Abschied für immer, in „Treasure“.

Aufgesetzter Frohsinn

Aber die mangelnde Qualität vieler Lieder lässt sich nicht bestreiten. So viele schlechte Songs hatte man bis dahin im Backkatalog der seit 1979 veröffentlichenden Band höchstens noch auf „Wish“ gehört – dem Vorgänger-Werk von 1992, die Kurve zeigte also schon nach unten.

Dies würde das erste Album von Cure sein, das sich schlechter verkauft als ein Vorgänger.

Robert Smiths kompositorisches Vorgehen hatte eine Formelhaftigkeit. Die zweite Single „Mint Car“ sollte auf der Erfolgswelle vom Vorgänger-Album „Wish“ und dem strahlenden Pop von yFriday I’m In Love“ segeln.

Das Gitarren-Riff irritierte jedoch schon bei der zweiten Wiederholung. Auch Smith überspannt den Bogen etwas zu sehr, wenn er singt: „The Sun Is Up / I’m So Happy I Could Scream.“

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Dabei waren die lustigsten, farbenfrohesten Lieder doch immer jene, in denen Smith nicht darüber sang, wie gut es ihm geht, sondern solche, in denen er kleine Gemeinheiten von sich geben konnte: „The Lovecats“, „Let’s Go To Bed“, „Why Can’t I Be You?“. Auf „Wild Mood Swings“ findet sich mit „Strange Attraction“ ein weiterer Boller-Song mit aufgesetztem Frohsinn.

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Druck lastete auf The Cure. „Wish“ hatte der Band erst nach 16 Jahren mit Eins-A-Singles wie „Inbetween Days“, „Close To Me“ und „Lovesong“ ihre erste Spitzenposition in den amerikanischen Album-Charts beschert. Der Preis dafür waren, auf „Wish“, behäbigere, weniger vertrackte, einfachere Kompositionen. Die Haare wurden kürzer, die Band sah weniger schwarz aus.

„Wish“ hatte seine lahmen Songs „Cut“ und „Wendy Time“. „Wild Mood Swings“ hatte „Trap“ und „Club America“. Diese Lieder, das war einem bereits 1996 klar, würden nach der entsprechenden Tournee nie wieder live gespielt werden.

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Der Wert von „Wild Mood Swings“ steigert sich – diesen Vorteil in der Bewertung bietet nur ein Rückblick – auf Kosten der nachfolgenden Alben. Es war das letzte experimentelle Werk. Nach dem Middle Of The Road von „Wish“ war dies der Versuch des 38-jährigen Smith, sich dem Popjazz zu öffnen.

„It’s got to be jazz, that’s what she wants“ sang Smith 1983 schon in der B-Seite „Mr. Pink Eyes“. Im „Wild Mood Swings“-Track „Gone!“ wiederholt er die Worte. Wenn der Vordenker die Platte als „Top 5″-Werk bezeichnet, dann hat er auf jeden Fall Recht, falls er dazu Wagnisse zählt.

Die Geburt der großen Live-Band

Auch wenn Smith den Misserfolg des Albums nicht eingestehen wollte, so hat er für die danach folgenden Platten – es sollten in den 20 Jahren bis heute lediglich drei weitere folgen – doch eine Kurskorrektur vorgenommen.

„Bloodflowers“ (2000) war eine recht müde Kollektion von Liedern. Da half es auch wenig, dass Smith das Album wie ein Totschlag-Argument als Teil seiner „Trilogy“ verkaufte, zu der seiner Ansicht nach die legendären Werke „Pornography“ (1982) und „Disintegration“ (1989) gehörten. Der Spirit war einfach nicht derselbe.

Das Alternative-Rock-Album „The Cure“, von Slipknot- und Korn-Produzent Ross Robinson angeleitet, war dann ebenso ein Debakel wie das bis heute letzte Werk der Band, „4:13 Dream“ von 2008.

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The Cure sind längst für ihre gigantischen Konzerte bekannt, 40 Songs und mehr, in denen Robert Smith einen grandiosen Ritt durch den Back-Katalog unternimmt, B-Seiten mit einer Armada von zehn Hits in Folge mischt. All das nahm mit der beeindruckenden „Wild Mood Swings“-Tour seinen Anfang. Dem Stellenwert von Klassikern bewusst, eröffnete der Sänger Auftritte erstmals seit vielen Jahren nicht mehr mit dem aktuellen Album-Opener, sondern mit „Plainsong“. Dazu gab es längst Vergessenes wie „Subway Song“ oder „The Funeral Party“.

Es war die große Revue einer selbstsicheren Band, die wusste, dass man jeden Abend etwas anderes spielen konnte, ohne zu enttäuschen. Eine der besten Live-Acts der Welt wurde mit dieser Tour geboren.