The Cure
The Head On The Door
„The Head On The Door“ sollte das einzige und auch letzte „luftige“ Album der Band bleiben.
Nun also neonfarbene Socken. Wie von alleine tanzende, neonfarbene Socken. Mitte der Achtzigerjahre galten The Cure als Anhänger von Klängen, die den Tod verkündeten. Aber die Band wandte sich längst erbaulichen Liedern zu. Dies ließ sich spätestens im Video zu „In Between Days“ nicht mehr übersehen.
Die Postpunk-Gruppe von 1979 hatte über Umwege von Gothic („Pornography“, 1982) zu New Wave („Japanese Whispers“, 1983) gefunden – und in der neuen, 1985 veröffentlichten Single „In Between Days“ zum Gitarrenpop. Die hüpfende Fußbekleidung im Video versprach neue Leichtigkeit. Dem melancholischen Text über das Verlassenwerden setzte Robert Smith Akkorde entgegen. Die verkündeten mehr Optimismus als alles, was er zuvor komponiert hatte. Dazu ein Trommelwirbel Boris Williams‘, wie aus einer Sporthymne.
Zweite Single aus der dazugehörigen Platte „The Head On The Door“ war „Close To Me“. Hierfür engagirte Smith erstmals eine Bläsersektion. Die trötete am Ende des Stücks im Ausfallschritt vor sich hin. Geradezu vogelfrei. Der Sänger blies dazu einen Rhythmus mit seinem Atem. Ein Tanzflächen-Knüller, der ganz ohne den Pop-Bombast von Achtziger-Produktionen auskam.
„Close To Me“ befand sich plötzlich in Gesellschaft der Hits von 1985, an der Seite von Whitney, Eurythmics, Grace Jones, Madonna, Prince. George Michael hat sich, das würde er nie zugeben, für „Faith“ rhythmisch exakt hieran bedient.
Er habe sich motiviert gefühlt, sagte der damals 26-Jährige Smith, erstmals aus einem Album nicht eine, sondern zwei Singles auszukoppeln. „Die zweite, sagte man mir, könnte es dann auf Platz eins der Charts schaffen.“ Das war das Ziel von Robert Smith in dem Jahr: einen Hit zu landen. Größer als sein „The Lovecats“, das 1983 bis auf Position sieben der UK-Rangliste kletterte.
The Cure entdecken das Saxofon
Das düstere Image der Band, mit ihrem neurotisch jauchzenden und wie ein Pierrot aus der Geisterbahn aussehendem Sänger, stand schon länger im Kontrast zu ihren Pop-Singles.
Die sind heute Klassiker. „Boys Don’t Cry“, ihre zweite Auskopplung von 1979, „Charlotte Sometimes“, „The Walk“, „Let’s Go To Bed“, „The Lovecats“.
Es ist erstaunlich, dass mit „The Head On The Door“ erst das siebte Album einer Gruppe den Durchbruch in den Charts schaffen sollte. Platz sieben im Vereinten Königreich. Keine Plattenfirma würde das heute mehr mitmachen. Auch Robert Smith, Cure-Alleinherrscher seit Gründung 1976, hat Ausdauer bewiesen.
Saxofon als Effektgerät
Auf „The Head On The Door“ wiederum dauert keiner der zehn Songs länger als fünf Minuten. Selbst das härteste Stück, „A Night Like This“, wird durch den Einsatz des Saxofons eher abgerundet als aufgerissen.
Das Instrument taucht im Repertoire von The Cure erstmals als Melodieinstrument auf. Im psychedelischen Album-Vorgänger „The Top“ (1984) wurde es eher als Effektgerät eingesetzt.
Mit „Screw“ und „Baby Screams“ gibt es auf „The Head On The Door“ lediglich zwei durchschnittliche Lieder. Smith befindet sich im Automodus, er dreht sich tanzend im Kreis und schüttelt die Kinderrassel. Wie verschwenderisch The Cure in dieser hochproduktiven Zeit mit ihrem Material umgegangen sind, zeigt der Blick auf die fünf (!) B-Seiten für zwei Singles. „Stop Dead“, „A Man Inside My Mouth“, „A Few Hours After This“ und „The Exploding Boy“. Album-würdiges Material, und „New Day“ eroberte mit seinem Elektro-Beat zumindest neues Terrain.
„The Head On The Door“ sollte das einzige und auch letzte „luftige“ Album der Band bleiben. Es hat damit einen Sonderplatz in der Cure-Diskografie. Es enthält aber schon Hinweise auf die kommende Entwicklung.
Der Flamenco von „The Blood“, die Erzählung von Hitze, Drogen und Delirium, nimmt den Voodoo-Zauber von „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“ (1987) vorweg. Das langsame, durch Simons Gallups Basslauf schaukelnde „Sinking“, erinnert an die großen Balladen auf „Disintegration“ (1989). Verweise auf den Alterungsprozess und das Ertrinken, sowie ein langes instrumentales Intro.
Selten dokumentierte Lebensfreude
Wie unbelastet Robert Smith und Band damals dennoch wirkten, zeigt der 1986 veröffentlichte Konzertfilm zur „Head On The Door“-Tour, „The Cure In Orange“. Dass der Sänger kein Vogelnest mehr auf dem Kopf trug, sondern eine Kurzhaarfrisur? Riesenthema für seine Fans. Was hatte dieser Cut nur zu bedeuten?
Am Ende ihres Auftritts im französischen Orange steigen die Musiker auf einen Balkon des Amphitheaters, lassen sich minutenlang feiern. Sie tanzen zum Playback des Chiffons-Hits „Sweet Talking Guy“. Es war selten zuvor dokumentierte Lebensfreude.
Zwar schaffte es Robert Smith mit „In Between Days“ in den UK-Charts nicht auf Platz eins, sondern nur auf Platz 15. Der Nachfolger „Close To Me“ lediglich auf die 24. A
ber die Zeit der Enttäuschung sollte für den Musiker nicht lange anhalten. Die größten Erfolge von The Cure würden noch ausstehen. Unter anderem die Eroberung des amerikanischen Marktes, Anfang der Neunziger.
Robert Smith hatte seine Meinung jedoch längst wieder geändert. „Sollte ich je einen Nummer-Eins-Hit haben“, sagte er, „löse ich die Band sofort auf.“ 1989 schien es dann so weit zu sein. Aber „Lovesong“ kam in Amerika auf der Zwei zum Halt. The Cure blieben bestehen.