The Charlatans
Who We Touch
Cooking Vinyl/Indigo VÖ: 03.09.2010
„Who We Touch“ nennen die Charlatans ihr mittlerweile elftes Studioalbum. Das Präsens scheint dabei bewusst gewählt, auch wenn manch Britpop-Nostalgiker einwenden wird, dass diese berührenden Momente im Laufe der Zeit weniger wurden. Aber wenn ihre Songs den (Gänse-)Hautkontakt schafften, dann wurden es oft Begleiter auf Lebenszeit: „Hey country boy/ What are you sad about/ Everyday you make the sun come out/ Even in the pouring rain/ I’ll come to see you/ And I’ll save you“ – diese Zeilen werden bei mir auch noch funktionieren, wenn ich als Hauptstadt-Greis dem Grab entgegen humpele.
Die erste Berührung, die einem die Charlatans auf „Who We Touch“ zukommen lassen, ist dann jedoch ein Schlag vor die Stirn. Kein fuzzy Keyboard-Orgeln von Tony Rogers, kein verhallter Tim Burgess, keine Oasis-Lehrstunde von Gitarrist Mark Collins – nein, „Love Is Ending“ rumpelt für gut zehn Sekunden los wie eine Metalcombo bei der ersten Bandprobe – dann erst geht es in vertraute Charlatansgefilde. Dennoch taugt der Song als exemplarisches Beispiel für das, was die Briten mit diesem Album vermitteln wollen. Es ist ein achselzuckendes, aber in keiner Weise resigniertes: „Hey, wir brauchen keinem mehr was zu beweisen.“
So also gönnte man sich den Produzenten Youth, lässt für den musikalisch völlig aus der Rolle fallenden spoken word-hidden track einen persönlichen Helden auflaufen (Penny Rimbaud von Crass) und bei der Gelegenheit auch deren Hauskünstler das collagenhaften Coverartwork anfertigen. Zwischen all diesen Extravaganzen hört man eine Band, die noch immer Lust auf die eigene Musik hat, auch wenn manch einer sie längst abgeschrieben hat. Dabei gelingen den Charlatans zwar nicht immer Treffer wie der harmonieselige Popsong „My Foolish Pride“ oder das gen Madchester blickende „Sincerity“, die Näselballade „Oh“ nervt sogar nicht. Aber:Ein Britpopüberbleibsel, das sich nicht in der Öffentlichkeit zerfleischt oder nach New York geht, um mit einem verschmockten Album zurückzukehren, sondern einfach nur seinen Job macht – das ist doch zur Abwechslung auch mal ganz erfrischend.