Steve Earle
I’ll Never Get Out Of This World Alive
Blue Rose / Soulfood VÖ: 29. April 2011
Auch wenn es vorübergehend verdammt danach aussah, ist er dann doch nicht in die großen selbstzerstörerischen Fußstapfen seines frühen role models getreten, dem er zuletzt noch mal ein ganzes Album hinterherrief. Im Gegenteil: Steve Earle, 56, hat Townes Van Zandt längst nicht nur um ein paar Jahre überlebt, sondern jüngst mit Gattin Allison Moorer (die sechste Frau, die siebte Ehe) sogar seinen dritten Sohn in diese Welt gesetzt. Wohl ein naheliegender Moment, um mit dem kleinen John Henry im Arm letzte Dinge zu bedenken und dabei auch gleich noch mal die alte Frage nach Jenseitigem zu stellen. Die hatte Earle vor zehn Jahren noch damit beantwortet, Transzendenz bedeute für ihn „being still enough long enough to know when it’s time to move on“.
Doch voranzugehen heißt inzwischen auch für einen ehedem notorisch bis neurotisch Rastlosen, noch einmal die Anfänge zu sehen, auf einem Album, das seinen Titel natürlich Hank, dem Älteren verdankt. Der – in memoriam Doug Sahm – leicht Tex-Mex-getönte Country-Schunkler „Waitin’ On The Sky“ gleich zum Auftakt und das kräftig irisch gefärbte „The Gulf Of Mexico“ (bei dem man Shane MacGowan als Geisterstimme zu hören glaubt) sind verwundert-amüsierte Reminiszenzen eines Überlebenskünstlers an die Jugend in Schertz, Texas und den Vater, dessen Asche dann bald im Golfwasser entschwand. Später reicht er „God Is God“ nach, das so gar nicht apodiktische Bekenntnis eines verunsicherten Agnostikers. Falls Ihnen das bekannt vorkommt: Earle hatte das Stück, wie auch das ähnlich sinnsuchende „I’m A Wanderer“, bereits mit Joan Baez für deren letztes Album „Day After Tomorrow“ produziert. Überhaupt scheint Earle in den letzten drei Jahren in Sachen Songs nicht übermäßig produktiv gewesen zu sein, weshalb „I’ll Never Get Out Of This World Alive“ auch mit „This City“ (Bläserarrangement: Allen Toussaint) ausklingt. Das hatte er für die Grammy- und Emmy-nominierte HBO-Serie „Treme“ komponiert, die Earle jetzt wieder als Straßenmusiker Harley beehrt. Passt aber schon, denn welche Stadt, zumindest in den USA, wäre besser geeignet als New Orleans, um den Tod zu bedenken? „This city won’t wash away, this city will never drown“, singt Earle beschwörend.
Dann wirft er dem jüngeren Bush noch mal eben ein höhnisches „Little Emperor“ hinterher („nobody ever told you that history is kind“), bittet zum düsteren Rendezvous in der Tom-Waits-Gosse („Meet Me In The Alleyway“), und natürlich zählt immer nur die Liebe, wenn der letzte Atemzug naht („Every Part Of Me“), auch wenn ein letzter Zweifel bleiben wird. „I love you, baby, but I just can’t tell, this kind of love comes from heaven or hell“, singt Earle im unvermeidlichen Duett mit Moorer. Produziert hat der derzeit nicht minder unvermeidliche T Bone Burnett. Da weiß man, was man bekommt: vor allem handverlesene Musiker, die auch Earles Repertoire subtil unterspielen und gerade damit richtig ins Schwingen bringen.