Ron Howard :: Solo: A Star Wars Story
Han im Glück? Wohl eher Hans im Glück. Der „Krieg der Sterne“-Schmuggler stolpert durch „Solo: A Star Wars Story“ – Donald Glover stiehlt ihm die Show.
Die Kritik enthält Spoiler.
Drei Fragen musste „Solo: A Star Wars Story“ klären: Wie lernte Han seinen besten Freund Chewbacca kennen? Wann traf er auf seinen liebsten Feind Lando und dessen Millenium Falcon? Auf welche Weise kam es zu „Han Shot First“, das seinen Charakter formte?
Eine der Fragen wird okay beantwortet, eine unbefriedigend – die andere gar nicht. Macht 1,5 von 3 Punkten, die aus der Biografie des Schmugglers herausgeholt wurden, jener immerhin nach Darth Vader populärsten Figur des „Star Wars“-Kosmos. Als Quote für eine Lebensgeschichte, einen „Origin“-Film, ist das eigentlich zu zu wenig. Sicher teilt „Solo“ ein Problem auch mit den drei Werken George Lucas‘, die zwischen 1999 und 2005 ins Kino kamen: Prequels sind im „Krieg der Sterne“ oft weniger aufregend als Weiterentwicklungen der Helden.
Spoiler-Bereich
Ein Psychiater hätte seine Freude an Han Solo. Ein Mann, der ihn von Anfang an warnte, nie irgendjemandem zu vertrauen, entpuppt sich als Verräter. Hier kommt die Beantwortung von Frage drei ins Spiel, „Who Shot First“. Jeder weiß, dass Han, der Han aus der „Krieg der Sterne“-Urfassung von 1977, als erster schießt, aus dem Hinterhalt. Hierzulande, also nach irdischen Maßstäben bewertet, fiele das unter heimtückischer Mord. Keine Notwehr.
Und es macht Spaß, das auf der Leinwand anzusehen.
Han Solo ist kein Cowboy
In „Solo: A Star Wars Story“ aber feuert Han, weil er muss, er sieht die Hand des Gegners schon am Holster. Ein „Blink or you’ll miss it“-Moment, nur eine Sekunde, die dennoch vieles verdirbt. Regisseur Ron Howard hat die Figur des Schützen womöglich anders verstanden als die meisten anderen. Han ist ja kein Cowboy, kein Duellist. „I’m taking my chances“, das sagte er schon im ersten Werk vor 41 Jahren. Er nutzt jede Gelegenheit, die sich ihm bietet, sofort. Keine Zeit für Ehrbarkeit.
Ron Howard ist sich nicht zu schade dafür, eine Spaghetti-Western-Einstellung zu zeigen, eine Großaufnahme von Hans Hand, die in Erwartung einer Schießerei den Holster-Knopf löst. Nicht umsonst sieht man das in Spaghetti-Western. Schon lange nicht mehr in Western.
Am Ende: ein vermeintlicher Freund tot, dazu ein anderer Weggefährte, der ihn zurückgelassen hat. Er sieht nur die Rücklichter des Schiffs. Das also macht aus Han den harten Hund, wie wir ihn in „Eine neue Hoffnung“, Episode vier, zum ersten Mal erleben würden. Gut, dann ist das anscheinend so.
Ron Howard hat eine einzigartige Karriere hingelegt. Vielleicht ist er der einzige Hollywood-Regisseur, der mit seinen etlichen Blockbustern durchgekommen ist, ohne eine Handschrift als Filmemacher zu haben – und sogar mit schlechten Streifen großen Erfolg hat. Früher war er mal der Michael Cimino für Arme („In einem fernen Land“), drehte ein freundliches Biopic über ein umstrittenes Genie und holte sich dafür den Oscar ab („A Beautiful Mind“), zuletzt war er schnittig wie Danny Boyle („Rush“), seine Dan-Brown-Filme wiederum sind unter aller Kanone.
Das beeindruckendste Werk des heute 64-Jährigen, „Apollo 13“, war eigentlich klassisches Clint-Eastwood-Material: Männer vor dem Midlife-Crisis-Alter, die in einer Gefahrensituation improvisieren müssen.
Man muss Howard zugute halten, das er als Troubleshooter im bisher wohl problematischsten der zehn „Star Wars“-Filme die Regie übernommen hatte. Die ursprünglich verantwortlichen Regisseure Phil Lord und Christopher Miller („The Lego Movie“) wurden zu Beginn der Dreharbeiten entlassen.
Vielleicht erklärt das auch manche Stilbrüche. Der Kampf um den rasenden Zug in der Eiswüste ist eine Hommage an Konchalovskys „Runaway Train“. Die Station des Bösewichts Dryden Vos (Paul Bettany) mit seinen Panoramafenstern jedenfalls erinnert an James Bonds Piz Gloria („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“). Bettanys Verbrecherboss mit unerklärter, das Leben prägender Gesichtsverletzung schwingt sein Cocktailglas wie Blofeld.
Zu Beginn sehen wir Han als Rekruten des Imperiums, das sich mit seinen Gegnern Grabenkämpfe wie im Ersten Weltkrieg liefert. Eine Intensität militärischer Szenen voller Rauch, Farben und Funken, die der Film im Verlauf der folgenden 90 Minuten nicht mehr zurückgewinnt.
Altmodisch ist die als Gag gedachte homoerotische Anspielung, in der sich zum nackten Han unter der Dusche der Wookie gesellt (Wookies tragen ja eigentlich nie Kleidung). Es wirkt wie eine „Heb‘ die Seife auf“-Szene. Der misslungene Witz fällt auch deshalb auf, weil „Solo“ nicht wirklich mit Humor punktet. Hand und Chewie lernten sich als Kriegsgefangene kennen, das Duschen schweißt wohl zusammen (und beantwortet die erste der drei Eingangsfragen).
Roboter und die Gleichberechtigung
Aber „Solo: A Star Wars Story“ bewegt sich auf wackligem Terrain, sobald Politik ins Spiel gebracht wird. „Krieg der Sterne“ verzichtet meist aus gutem Grund auf politische Analogien. Sie sind schwer mit der Mythologie zu vereinbaren. „The Worst Is Where The Money Is“, sagt Tobias Beckett (Woody Harrelson) und rechtfertigt so seine Raubzüge. Das soll sicher seine Anspielung auf den Turbokapitalismus sein, womöglich, dass kleine Diebe nicht die schlechteren Menschen sind.
„Equal Rights“ wiederum verlangt ein weiblicher Roboter, was zu unserer Zeit passt, aber hier wie eine Last-Minute-Drehbuchidee wirkt, vor allem, wenn der Droide andere Maschinen dazu auffordert, „Brüder und Schwestern“ zu befreien. Stoff für einen anderen Film, hier einfach zuviel des Guten. Wenn „Star Wars“ sich für Gleichberechtigung einsetzen will, muss man dafür keine Roboter vorschieben. Zumal eine gewisse Roboter-Müdigkeit einsetzt: L3-37 ist nach BB-8 („Das Erwachen der Macht“) und K2-SO („Rogue One“) bereits der dritte neue in drei Jahren, man kommt irgendwann nicht mehr mit, kann deren Schrulligkeiten nicht zuordnen.
Umso verstörender, dass dem Droiden dann aus dem Nichts die schönste Szene in „Solo“ geschenkt wird! L3-37 stirbt in den Armen Landos (Donald Glover), der seine Gefährtin, zu Schrott geschossen, nicht zurücklassen will. „Was geschieht mit mir?“, fragt es bzw. sie, bevor die Lichter in ihren Augen immer kleiner werden. Diese Art existenzialistische Fragen sind es ja auch, die „Blade Runner 2049“ und „Westworld“ so spannend machen. Weil sie von künstlichen Wesen gestellt werden, denen wir das Lebensrecht absprechen.
Han Solo kann Wookisch!
Es gibt einige wenige, weitere Momente, die den Film halbwegs harmonisch in die riesige „Krieg der Sterne“-Saga eingliedern könnten. Wenn sie doch nicht so rar gesät wären. Wir erfahren, wie Han, der immer nur Han hieß, zu seinem Nachnamen gekommen ist – und dürfen uns umso wundern, warum er den Namen mit Blick auf seine Taufpaten behielt.
Wir werden erstmals Zeuge, wie er versucht, mit einem Gleiter hochkant durch eine Spalte zu fliegen (was ihm im Asteroidenfeld aus „Das Imperium schlägt zurück“ jedoch besser gelingen wird). Han kann außerdem die Sprache der Wookies – und macht den Millionen Fans zuhause vor, wie es klingen muss, wenn ein Mensch die Brüll-Laute von sich gibt. Eben anders, als es in tausenden YouTube-Videos und auf tausenden Partys zu hören ist. Dennoch gut, dass er fortan mit Chewie in der Sprache des Menschen kommuniziert.
„Solo“ widmet sich dem Millenium Falcon, weil das Raumschiff mit dem Schmuggler auf alle Zeiten verbunden bleibt, und das macht „Krieg der Sterne 10“ so detailliert wie kein anderer. Erstmals gibt es mehr als nur zwei Räume zu sehen, also mehr als das Cockpit und den Hauptraum mit Schachtisch. Qi’ra (Emilia Clarke) hat im Schiff sogar genug Platz, um sich in Landos Reise-Kleiderschrank mit den vielen Kleiderbügeln umzusehen. Der Mann hat schon immer Wert auf sein Outfit gelegt.
Die größte Pointe ist natürlich, dass der Falke seine heute bekannte Form mit den zwei Frontstegen erst erhalten muss. Eigentlich war er vorne geschlossen, die Lücke entsteht, als eine Rettungskapsel abgestoßen wird. Ein schönes Bild: Der Millenium Falcon hat von nun an kein Escape Pod mehr, jeder der mit ihm fliegt, muss auch das Risiko eingehen, in ihm zu sterben.
Zu obiger Frage drei: Wie lernt Han Lando kennen, und wie bekommt er den Millenium Falcon in seine Hände? Die Antwort ist ein echter Tiefschlag. Natürlich kommt es zum Kartenspiel mit dem Schiff als Einsatz, dumm nur, wenn Han und Lando eine Art galaktisches Poker spielen, das zu keiner Zeit Spannung erzeugt, weil kein Mensch diese Karten und seine Regeln versteht. Hieroglyphen sind nichts dagegen. Der Thrill fehlt.
Da hilft es auch nichts, dass Han am Ende prahlen kann, seinen „Kessel run in less than 12 parsecs“ geschafft zu haben, womit immerhin eines der berühmtesten, die Fantasie anregendsten „Star Wars“-Zitate seine Visualisierung erhalten hat.
Überhaupt, Lando: Natürlich ist dies Donald Glovers Film. Das Timing könnte für Disney auch nicht besser sein. Als Musiker hat Glover unter dem Namen Childish Gambino derzeit den Lauf seines Lebens („This is America“), und die Hoffnung, mit „Krieg der Sterne“ das schwarze Publikum begeistern zu können, ist berechtigt. Marvels „Black Panther“ machte es vor.
Leidtragender ist die eigentliche Nummer eins, Alden Ehrenreich als Han Solo. Glovers Lando Calrissian hat eine Autorität, die Ehrenreich abgeht. Kein Wunder, dass angeblich ein Lando-Spin-Off im Gespräch ist. Alles andere als hilfreich waren die Gerüchte, dass Ehrenreich noch während der Dreharbeiten Schauspiel-Unterricht erhalten haben soll.
Im Film jedenfalls wirkt er wie ein engagierter Harrison-Ford-Darsteller, der dessen Solo-Markenzeichen, das wölfische Grinsen, überstrapaziert. Er nutzt es derart inflationär, dass seine Figur an Glaubwürdigkeit verliert. Jemand aus Hans Team stirbt, wenig später schon Grinsen, eine tödliche Gefahr gebannt, wenig später schon Grinsen. Als wäre das hier nicht Han, sondern ein Han(s) im Glück. Er erkennt den Ernst der Lage oft nicht.
Wo wir gerade bei schlechten Wortspielen sind: „Ich habe ein gutes Gefühl bei dieser Sache“, sagt Han an einer Stelle. Fans wissen, dass die Helden in den „Star Wars“-Filmen normalerweise sagen, dass sie KEIN gutes Gefühl bei dieser Sache haben.
Und dieses Gefühl stellt sich in „Solo: A Star Wars Story“ auch irgendwann ein.
So fanden die Kollegen von ME.MOVIES den Film:
https://www.musikexpress.de/han-solo-star-wars-kritik-1059105/