Sleep

Sleep

Karge Texte, traumverlorene Soundscapes: Andreas Spechtls Konzeptalbum über den Schlaf ist Kunst mit großen K

Kaum ist die Musik unserer österreichischen Nachbarn durch die Platten und Konzerte von Wanda und Bilderbuch mal in aller Ohren, legt der Sänger der vermutlich besten Band des Landes, Ja, Panik, sich schlafen. Kein Witz, Andreas Spechtl, immer schon mehr oder weniger heimlicher Konzeptkünstler, hat ein Konzeptalbum über den Schlaf gemacht und nennt sich dann auch gleich selbst so: Sleep. Natürlich ist das Kunst mit großem K und kleinem u, selbst die Witze sind hier ernst, der Stilwille ist riesig.

Spechtl hat auf „Sleep“ den Traum, also das unbewusste Verarbeiten des im Wachzustand Erlebten, zum musikalischen Prinzip erklärt und mit einem Aufnahmegerät tagsüber Stimmen und Geräusche aufgezeichnet, die er dann mit Overdubs versehen hat. So entstanden sogenannte Sound- oder meinetwegen Dreamscapes, die aber immer noch eine ziemliche Nähe zum Song haben.

[artistxite]

„Sleep“ ist auch ein Album über die Orte, die der Sänger besuchte, ein Kino in Tanger etwa oder das ugandische Jinja, man hört Stimmen in verschiedenen Sprachen, eine Gitarre spielt ein afrikanisch anmutendes Motiv, ein Klavier spielt minimalistisch nach Mark-Hollis-Art, Trompete und Saxofon tönen traumverloren, es pluckert und klopft, man hört Anleihen von elektronischer Musik und vernebeltem Lee-„Scratch“-Perry-Dub, in „Duérmete Niño“ singt eine Frau auf Spanisch und eine Holger-Czukay-Weltmusik-Ahnung kommt auf – auch wenn Spechtls englischer Text („Sleep came here to stay/Sheep came here to lay you down“) eher auf Robert Wyatts wundervolle Vermählung von Schlaf und Schaf, „Shleep“ von 1997, verweist.

Auf „Sleep“ gibt es keine denglischen Wortungetüme wie bei Ja, Panik. In kargen, oft rätselhaften Zeilen fasst Spechtl Bilder von schlafenden und erwachenden Städten, Geistern und Kindern. „Germans, they get dangerous after dark“, singt er in „After Dark“ und warnt die Bewohner und die Besucher von Dresden, München, Berlin, Hamburg, Köln und Heidelberg vor der Dunkelheit. Wer sich nicht auf die Straße traut, kann sich von „Sleep“ sanft in einen wohligen Schlaf wiegen lassen. Gute Nacht!