Sleaford Mods
Key Markets
Sound der Gegenwart: Die zwei zornigen Punks sind unser besonderer Tipp beim ROLLING STONE Weekender 2015.
So steht es in den Lehrbüchern: Pop ist der Sound des Now! Doch wenn man sich dann umschaut und fragt, wie die Gegenwart klingt, wird man mit
falschen Antworten totgeschmissen. Sind es wirklich die kunstsinnigen Klangbasteleien, die von Kritikern automatisch Topbewertungen bekommen? Oder ist es eher das martialische Pfeifen im Dunkeln, das in den großen Arenen die Fäuste gen Himmel fliegen lässt? Pop ist kaum mehr als eine Droge, die darüber hinwegtäuscht, dass wir in einer durchökonomisierten Welt ohne Zukunft leben. Immerhin gibt es noch die Sleaford Mods, deren neues Album, „Key Markets“, einem wie eiskaltes Wasser ins Gesicht klatscht: „You’re trapped, me too! Alienation, no one’s bothered!“ Sollten wir nicht alle etwas schlechter gelaunt sein und uns etwas lauter beschweren?
Beats am industriellen Fließband
Die Beats von Andrew Fearn klingen immer noch wie vom Fließband eines industriellen Fertigungsbetriebs, dessen Produktion demnächst nach Asien ausgelagert wird: böser als Punk, härter als Techno. Doch in jedem Schlag stecken Wut, Haltung und ein wacher Blick auf die Welt: „Key Markets war ein großer Supermarkt, der von den frühen Siebzigern bis 1980 mitten in Grantham existierte“, erklärt Sänger und Rapper Jason Williamson. „Meine Mutter nahm mich zum Einkaufen mit und ich bekam zwischen lackierten Holzleisten und geblümten Lampenschirmen eine große Cola in einem orange-farbenen Plastikbecher. Um mich herum waren beigefarbene Backsteine mit schreiend gelben Verkaufsargumenten und riesige Schaumstoffbuchstaben. Deshalb haben wir das Album ‚Key Markets‘ genannt. Es ist eine Fortsetzung des Alltäglichen und unsere Sichtweise darauf.“
Jason Williamson hat aufgehört, an ein richtiges Leben im falschen zu glauben. In seinen Texten gibt es keine kämpferischen Parolen und erst recht keine Verbesserungsvorschläge. Stattdessen aus großem Zorn geborene Bilder, die mitunter nicht leicht zu dechiffrieren sind. Die Botschaft von „Face To Faces“ ist trotzdem klar: „In our failure to grab hold of what fucking little we have left/ We have lost the sight, and in the loss of sight/ We have lost our fucking minds all right.“ Das „No Future“ der Gegenwart – ohne einen Helfer wie Malcolm
McLaren. (Harbinger Sound/Cargo)