Silbermond

Laut gedacht

Musik fürs Poesiealbum: intellektuell eher schlicht, aber effektiv

Wisch dir den Schaum vom Mund. Und leiste dem ewigen Ätzzwang Widerstand. Nimm hin, dass Silbermond auch etwas Begrüßenswertes geleistet haben. Nicht unbedingt für die deutsche Musikgeschichte. Aber fürs Poesiealbum. Dort stehen heute neben „In allen vier Ecken soll Liebe dnn stecken“ immerhin mal Kaliberchen wie „Wenn du nach vorne willst, dann musst du besser sein, geh voll auf Risiko, dann holt dich keiner ein“. Halte vielleicht probeweise für denkbar, dass mit solchen Zeilen im Kopf die 200. Bewerbung für einen Ausbildungsplatz tatsächlich ein bisschen leichter fallen könnte.

Streiche dumme Titel wie „Machs dir selbst“ und „Verschwende deine Zeit“ gnädig aus deinem Gedächtnis, zusammen mit allen peinlich nahe liegenden Sottisen in der öffentlichen Rezeption. Verweise bitte bei 750 000 verkauften Debütalben im deutschsprachigen Europa nicht reflexartig auf Schmeißfliegen, nicht auf Pur und nicht auf Bohlen. Überlege, ob Musik wirklich nur eine Existenzberechtigung hat, sofern sie sich gewichtigen Themen wie Toleranz, Schönheitswahn, Konsumzwang oder Lieblosigkeit im gelehrten Diskurs nähert. Ziehe eventuell in Betracht, dass kritelnde Lieder wie „Meer sein“, „Lebenszeichen“ oder „Nein Danke“ trotz ihrer intellektuellen Schlichtheit für manchen Teenager allererste Schritte aus dem Ghetto kindlicher Egozentrik sein könnten.

Erkenne, dass die selbstbewusst lärmende und damit sehr zur Gegenrede reizende Emphase, mit der Stefanie, Johannes, Thomas und Andreas aus Löbau bei Bautzen zu Werke gehen, nicht das schlechteste Vorbild ist für die Jugend einer paralysierten Gesellschaft. Erwarte von den enthusiastischen Jung“Punkern“ aus Ostsachsen keine musikalische Quantenphysik und verzeihe ihnen die Verwendung der vielen seit Jahrzehnten bewährten Standards. Verweise nicht entschuldigend auf ihre Herkunft, vor allem das nicht.

Befreie dich vom schlechten Gewissen, wenn du Silbermond trotzdem scheiße findest. Es ist ja zu verstehen. (.so.Ni)