Seasick Steve
„Man From Another Time“
Dafür hat’s schon mal gereicht. Stolz wie Bolle posiert Steve Wold alias Seasick Steve im Booklet/Inlay neben seinem neuen, alten John Deere, Jahrgang 1960, den er natürlich jedem Ferrari und Porsche vorziehe, wie er im Trecker-Boogie „Big Green And Yeller“ verkündet. Nachdem sich vor Jahresfrist „I Started Out With Nothing…“ in der UK-Top-Ten platzierte und wie Fish & Chips verkaufte, will das Eisen weiter geschmiedet werden. Zumal Warner dem alten Blues-Mann nun nicht mal mehr einen hippen Produzenten aufschwatzen will, sondern ihn einfach im Atlantic-Retro-CD-Design weiter mit minimalen Mitteln (plus Drummer Dan Magnusson ) im eigenen Saft machen lässt.
Dort dreht sich der Ex-Hobo/Grunge-Produzent in schönster, aber leider auch verdammt vorhersehbarer Selbstreferenzialität meist einfach im Kreis. Wold feiert entweder in Nonsense-Manier seine, nun ja: Gitarren ab, die alles Mögliche haben, nur nie sechs gewöhnliche Saiten („Diddley Bo“, „Happy“, „Seasick Boogie“). Oder er rekurriert in unterschiedlicher Tonlage auf seine Hobo-Zeiten vor über drei Dekaden. Dann geht’s zur Apfelernte in „Wenatchee“, ins Verderben („Never Go West“) oder gleich in den Knast („That’s All“). Der schönste Song dieser Kategorie, „Just Because I Can“, verhandelt das Freight-Train-Hopping bezeichnenderweise aber nur noch als nostalgische Ansichtskarte.
Wold hat zuviel von der Welt und den Menschen gesehen, als dass er anders als mit (Selbst-)Ironie auf seinen späten Erfolg reagieren könnte. „Don’t you got nothin better to do than listen to a man from another time“, frozzelt er im Titelsong. Auch die Liebe seiner Frau besingt er mit Humor. „‚Cause my home is where your blue eyes are, and my town is where your brown hair falls, and my country’s when I’m in your arms, and my world, well that’s goin‘ just too far…“
Wirklich weit genug, um über den Typ, den Hype, den Entertainer Seasick Steve hinauszuweisen, geht hier aber nur ein Song. „Dark“ ist ein starkes, schlichtes Manifest eines Mannes, der schon vor seiner Zeit Frieden mit der anderen Seite gemacht hat. „There’ll be no trace when I leave“, singt Wold. Wenn er sich da mal nicht täuscht. (Atlantic/Warner)
Jörg Feyer