Screaming Trees :: Last Words: The Final Recordings
Die letzten Demos der großen Rockband um Mark Lanegan
Endlich: die Platte, auf die alle gewartet haben! Kleiner Gag – natürlich sind die Screaming Trees aus Washington heute vergessen, mit Ausnahme ihres Ex-Sängers Mark Lanegan. Obwohl man sie in den Neunzigern so dringend brauchte, um plausibel zu erklären, dass Grunge schon rein mengenmäßig eine echte Bewegung sei (und kein reiner MTV-Claim).
Im Jahr 2000, nach 15 Band-Jahren, einem Fußgängerzonen-Superhit namens „Nearly Lost You“ und einem Stapel herrlicher Filzhaar-Psychedelic-Hardrock-Alben, trennte sich die Gruppe – nachdem sie es nicht geschafft hatte, irgendwo einen neuen Plattenvertrag zu bekommen. Die Demos, mit denen sie sich seinerzeit vergeblich bewarben, kommen jetzt doch noch als reguläres Album, auf dem Privatlabel des Drummers. Und, so paradox es klingt: Einerseits hört man sofort, warum sie damals keiner mehr haben wollte. Andererseits ist genau das die Stärke der Platte.
Weil man die gehobene Form des Übungsraum-Rocks, diesen zähflüssig verzerrten Hanf-Testosteron-Folk – der 2000 wie ungewaschene Unterhemden roch – heute so derart selten hört, dass die verschollene Platte eine echte Freude ist. Dass man die Qualitäten im Kopfhänger und -banger „Revelator“ und seinem Wah-Wah-Solo erkennt, in Lanegans Schlafgebrumme in „Tomorrow Changes“, den nahezu barocken Harmonien im straff geschlagenen „Anita Grey“. So was spielen heute nur noch lachhafte Schwedengruppen, dabei könnte es die Antwort darauf sein, wie mit dem derzeit akuten Mangel an gutem Rock umzugehen ist.
Hätten mal alle 90er-Jahre-Bands so machen können: eine Platte in die Raumkapsel, elf Jahre später rausbringen. Hätte uns die Smashing-Pumpkins-Reunion erspart. (Sunyata/Alive) Joachim Hentschel
Beste Songs: „Ash Gray Sunday“, „Anita Grey“