Santigold

„Spirituals“ – Widerstandskraft

Little Jerk/Secretly/Cargo (VÖ: 23.9.)

Die Global-Disco-Pionierin rüttelt geschmeidig auf.

Sechs Jahre sind seit Santi Whites letztem vollgültigen Album, „99¢“, vergangen. Allerdings spricht nur die Konvention dagegen, ihr Mixtape „I Don’t Want …“ von 2018 dazuzuzählen. Gemeinsam mit dem Global-Disco-Pionier Diplo hat sie darauf eine karibisch/jamaikanisch gefärbte Songsammlung vorgestellt, die es immerhin an die Spitze der Reggae-Charts brachte. Auf „Spirituals“ hört man die Reggae-Neigung des Mixtapes noch in ausgesprochen hübschen Stücken wie dem verträumt club-poppigen „Ushers Of The New World“, einem der besten des Albums, oder der schicken, dubbigen Bassline der Single „Nothing“ – und vielleicht überhaupt in den tropfsteinhöhligen Räumen, die sie ihren Songs oft mitgibt.

„To get people through the un-getthroughable“

Andererseits gehört natürlich der Global Touch zu Santigolds Konzept, dem sie die ewigen Vergleiche mit M.I.A. verdankt, die indes den Radical Chic entschlossener abschöpft, der aus der Verbindung von musikalischer Weltläufigkeit und kritischem Blick entsteht. Ersteres spielt Santigold sehr gekonnt – und mit vielköpfiger Produzentenschar – in coolem Stil-Hopping aus, von punkenergischem Rap („High Priestess“) über TrapPop („Witness“) und klasse stolperndem Afropop („No Paradise“) bis hin zu einer Goth-Anmutung mit wässrigem Klavier („The Lasty“) und insistierendem Post-Punk-Bass („Fall First“).

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Auch aufrüttlerische Motive treiben das Album um. Sie nennt als Themen von „Nothing“ die kalifornischen Waldbrände, Covid und Black Lives Matter. Unsere Zeiten haben die Mutter dreier kleiner Kinder zunächst in den Writer’s Block getrieben – bis sie darin eine Chance sah, zu wachsen, die Widerstandskräfte zu sammeln. Der Titel „Spirituals“ bezieht sich nicht auf das Genre, auch wenn man es in „Shake“ mit seinem bluesigen Bassriff und dem hellen Call-and-Response hören könnte. Es geht vielmehr um die Funktion, „to get people through the un-getthroughable“. Doch um Berge zu versetzen oder wirklich „das Undurchstehbare durchzustehen“, fehlt es dem liebevoll und kenntnisreich verfugten Pop ein bisschen an Hooks und Durchschlagskraft.