Sam Vance-Law
„Goodbye“ – Ich und der Andere
Virgin (VÖ: 6.5.)
Die Queer-Pop-Party ist vorbei: Kunstvoll-schöne Klagelieder eines Verlassenen
Die Saxofonkapelle hat den Afterparty-Blues. Ein Bass brummt dumpf vor sich hin. Ein jazziger Groove dreht sich unverdrossen im Kreis. Und Sam Vance-Law steht allein mitten auf der Tanzfläche, klammert sich an den Ring an seinem Finger und hat sich nie einsamer gefühlt: „It’s fair to say you looked at me with something less than antipathy/ Like a doctor pronouncing D.O.A. on call.“ So besingt er in „Too Soon“ das Ende seiner Beziehung, stellt er seine Verletzlichkeit aus in diesem hochempfindlich-filigranen Songkunstwerk.
Nie klang Selbstmitleid schöner
„Homotopia“, das Debütalbum des in Berlin lebenden Kanadiers, feierte im Jahr 2018 mit ihm in der Rolle des schönen Dandys und des Zeremonienmeisters, der kokett durch eine spektakuläre Revue führte, ein Fest des Queer Pop. Jetzt ist die Party vorbei. Statt von den anderen singt Vance- Law nur noch von sich selbst: Nach dem Erscheinen von „Homotopia“ hat sich sein Freund von ihm getrennt, und das Kammerpop-Album „Goodbye“ versammelt nun betörend eindringlich Abschieds- und Klagelieder. Nie klang Selbstmitleid schöner.
Ähnliche Anlässe haben der Popgeschichte unzählige unerträglich larmoyante Alben beschert. Doch obwohl „Goodbye“ überquillt von Liebeskummer und Herzschmerz, trägt Vance-Law seine Leidensstory so virtuos mit wehmütiger Grandezza, trotziger Lakonie, musikalischer Offenheit und sanfter Opulenz vor, dass dabei große Popkunst entsteht, auch dadurch, dass er etwa das „I know you’ll never love me again“-Lamento aus dem kurios zerrissenen „Kiss Me“ mehrmals wieder aufgreift – wie im polyrhythmischen Verwirrspiel „No Love“ oder in der Saxofonmelodie von „Too Soon“ – und es so zum Leitmotiv macht.
Im Walzer „Icarus“ nutzt er griechische Mythologie als Beziehungsmetapher, für „Get Out“ borgt er sich Eighties-Synthiepop, mit der Klavierballade „Blissful Times“ nähert er sich dem Great American Songbook an. Ständig wechselt er den Tonfall, durchläuft auf „Goodbye“ die fünf Phasen, die Elisabeth Kübler-Ross eigentlich der Verarbeitung von Sterben und Tod zugeordnet hat: In den Songs leugnet, wütet, verhandelt und trauert Sam Vance-Law, bis er schließlich im ergreifendnüchternen „Been Drinking“ das Aus akzeptiert und in berückender Zartheit seinen Frieden macht mit dem Ende dieser Liebe