Roger Waters
Is This The Life We Really Want?
Auf seinem vielleicht letzten Soloalbum inszeniert sich Roger Waters als unbeugsamer Rebell wider globale Missstände
Wenn die Jungen es nicht bringen, müssen wir Alten noch mal ran, hat sich Roger Waters wohl gedacht, als er vor zwei Jahren beschloss, dieses Album, sein erstes seit 1992, aufzunehmen. Dass ihn die weltpolitischen Entwicklungen dazu inspiriert haben, lässt schon der Plattentitel in Form einer rhetorischen Frage erkennen, die Waters an uns, an DIE MENSCHHEIT, richtet. Ein vielleicht letztes Mal geht es ihm um alles, um seine Pink-Floyd-Topoi, um Überwachungsstaat und Umweltzerstörung, Gier und Globalisierung, Kolonialismus und Kriege, die rettende Liebe und den nahenden Tod. Smartphones und Drohnen kommen auch vor, sie sind das notwendige Update für einen Songschreiber, der sich nach wie vor als Seismograf und Überhöhungskünstler der Gegenwart versteht.
Waters ist 73. Keine Zeit mehr für subtile Lyrik. „If I had been God/ I would have rearranged the veins in the face/ To make them more resistant to alcohol/ And less prone to aging“, dichtet er in „Déjà Vu“ und klingt beinahe wie Johnny Cash in „Hurt“, bevor der Song in ein Meer aus Streichern kippt und mit dem Autor die Illusionen durchgehen: „If I had been God/ With my staff and my rod/ If I had been given the nod/ I believe I could have done a better job/ (…)/ And if I were a drone/ Patrolling foreign skies/ (…)/I would be afraid to find someone home/ Maybe a woman at a stove/ Baking bread, making rice/ Or just boiling down some bones.“
Ein vor Pathos überschäumendes Album
In Sachen Prätention und Dystopie hat Waters nur noch Scott Walker neben sich. Der Titelsong bricht diese Melancholie mit wütenden E‑Gitarren-Riffs und noch wütenderen Erkenntnissen („It’s not enough that we succeed/ We still need others to fail“). Verantwortlich dafür seien WIR, also neben Staatsmännern und Bankern auch „supermodels, actors, fags, bleeding hearts, clerics, truckers, cleaning ladies“ und der ganze absurde Rest der menschlichen Spezies. „Picture That“ und „Broken Bones“ funktionieren als clever inszenierte Vexierspiele um Schuld und Sühne. Am Ende steht eine dreiteilige Elegie („Wait For Her“, „Oceans Apart“, „Part Of Me Died“) – der wehmütige Abschied eines Unbeugsamen.
„Is This The Life We Really Want?“ ist ein vor Pathos überschäumendes Album. Radiohead-Klangmeister Nigel Godrich hat es, man könnte sagen: kongenial produziert, mit den für Waters wie Godrich typischen Effekten. Überall rauscht, propellert, tickt, bellt, donnert, explodiert es unheilschwanger. David Campbell komponierte einige salbungsvolle Streicherarrangements. Es ist diese Verdoppelung, ja Verdreifachung der Bedeutungsschwere, die Waters’ Feel-bad-Opus den Anstrich eines meisterlichen Alterswerks verleiht. (Sony)