Ridley Scott :: Alien: Covenant
Ridley Scott will seit Jahren die Schöpfungsgeschichte der Menschheit ausgerechnet mit der Schöpfungsgeschichte der Aliens verknüpfen – und verrennt sich immer mehr. „Alien: Covenant“ ist ein schematischer Actionfilm, versetzt mit einigen technologiekritischen Momenten.
Wenn Larry Page, Elon Musk und Mark Zuckerberg ein gemeinsames, künstliches, hochintelligentes Kind zeugen könnten, dann entstünde daraus wohl Walter (Michael Fassbender). Aber nur, falls die drei Silicon-Valley-Päpste Gutes für die Menschheit im Sinn haben. Falls sie uns den Untergang wünschen, dann zeugten sie vielleicht David (auch Michael Fassbender). Ein K.I.-Riese, der uns als minderwertig betrachtet – Lebewesen, die höchstens noch als Hybrid-Züchtung mit klügeren Außerirdischen den Fortbestand verdienen.
Die Entwicklung künstlicher Intelligenz ist das bestimmende technologische Thema unserer Zeit. In gefühlt jeder zweiten „Spiegel“-Titelgeschichte wird das Schreckensszenario einer Welt entworfen, in der ausgerechnet Facebook, Amazon und die selbstfahrenden Autos von Google über unser Leben in den nächsten 100 Jahren entscheiden. Es gehe darum, ob wir den Wettkampf gegen die Maschinen gewinnen – oder es Zeit ist, sich einfach mit dem Geist in den Maschinen zu arrangieren, weil nichts anderes mehr geht.
Evolution auf der Blockflöte
„Alien: Covenant“ passt zum Zeitgeist, auch bei Regisseur Ridley Scott ist das Glas halb leer. Bordcomputer „Mutter“ ist zwar noch eine anständige Dienerin, eine kompetentere Form von Apples „Siri“ oder Amazons „Echo“. Dem Menschen zu ähnlich werden sollten die künstlichen Angestellten aber nicht: Intelligenz gepaart mit Emotion, das sagt Scott, führt zum Untergang. Der sechste „Alien“-Film hat deshalb weniger mit dem eigentlichen „unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt“ zu tun, dem „Alien“, als mit David, einem Gott spielenden Roboter, der vor Jahren eine ganze Rasse Außeridischer getötet und sich dann auf deren Heimatplaneten ein leeres Königreich errichtet hat. Dort arbeitet er an Züchtungen und musiziert auf der Blockflöte. Mit seinem Spiel auf diesem verhältnismäßig schlichten Instrument erklärt David auch dem Androiden-Bruder Walter, warum K.I.’s den Menschen nicht zum Lernen brauchen.
Als Kommentar zur Selbstvernichtung der Menschheit würde das gut funktionieren, die Eröffnung jedenfalls ist beeindruckend klar und langsam erzählt – wie sonst selten lässt Ridley Scott zu, dass Dialoge sich entwickeln und Konflikte nicht aus Action, sondern einem Gespräch heraus entstehen. In einer Silicon-Valley-Parodie der Zukunft wird David „geboren“, in einer Art Apple-Raum, nahezu leer und weiß, geschmückt mit Kultur-Artefakten, einem Flügel, einem Kirchengemälde. Im Dialog mit seinem Schöpfer Weyland (Guy Pearce) spricht der Roboter schon nach wenigen Deduktionen seine intellektuelle Überlegenheit aus: Sie besteht bereits darin, dass er seinen „Vater“ kennt, der Mensch aber seinen eigenen Schöpfer nicht. Weyland wird wütend, David soll jetzt erstmal nicht mehr machen, als dem Boss Tee zu servieren. Eine präzise gespielte, bedrückende Szene.
„Let’s Get Outta Here!“
So bedrückend, als entstamme sie einem anderen Film. Ridley Scott hat anscheinend seinen „Prometheus“-Flop von 2012, in dem er wenig nachvollziehbar versucht hatte, die Schöpfungsgeschichte der Menschheit ausgerechnet mit der Schöpfungsgeschichte der Aliens zu verknüpfen, noch nicht verdaut. Was auf die „Covenant“-Eröffnung folgt, ist ein „Let’s Get Outta Here“-Actionstreifen, der bis zu seinem Ende, inklusive eines zu erahnenden Twists, nach einem durchsichtigen „Alien“-Schema abläuft.
Das geht so: Crew erhält Notsignal von einem fremden Planeten. Crew beschließt Rettungsmission, mindestens ein skeptisches Mitglied ist dagegen, die Frau wird später Leaderin. Crew landet auf fremdem Planeten, benötigt jedoch in fremder Atmosphäre keine Schutzanzüge, da aus filmdramaturgischen Gründen Giftstoffe eingeatmet werden müssen. Vereinzelte Crewmitglieder (Mann zur Frau: „Hey, ist auf DIR auch schon mal jemand gelandet?“) treten wie schon in „Prometheus“ unwissenschaftlicher auf, als jedes Astronauten-Auswahlkomitee zulassen würde. Der Pilot ist für Navigations-Romantik zuständig, trägt wie immer einen Cowboyhut, ist raubauzig, aber zeigt rechtzeitig das goldene Herz. Crewmitglieder entdecken bei schlechtem Wetter das Gespreizte-Frauenbein-Raumschiff mit den Alien-Kokons. Infizierungsphase. Astronautin sagt, „ich mach mich mal eben frisch“ und verlässt im Dunkeln die Gruppe. Wird getötet. Gastgeber David entpuppt sich als Frankenstein. Gruppe: „Lasst uns bloß schnell hier abhauen!“
Dabei gibt es einige wenige gelungene Hommagen an die „Alien“-Reihe, die hiermit auf sechs Filme seit fast 40 Jahren zurückblickt. Der Showdown spielt sich – wie in James Camerons „Aliens“ (1986) – im Sog eines Hangars ab, dessen Luke im Weltraum geöffnet wird. Und erstmals in der Saga wagt ein Alien es, ein Pärchen beim Sex zu unterbrechen. Der Schwanz des Ungetüms bewegt sich dabei in Richtung des Unterleibs der Frau; eine ähnliche Einstellung zeigte Scott auch in seinem Original-„Alien“ von 1979.
Es waren solche Szenen, nicht die Ballerballer-Action, die den Außerirdischen für uns einst zur Bedrohung machten: Sein Phallus-Kopf, der Appetit, die elendigen Köpersäfte, die andauernd spritzen. Viele Andeutungen, die nie ausgespielt wurden.
„Wer hat den Weizen angebaut?“
Das ganze mörderische Geschehen an Bord des Raumschiffs „Covenant“ wird per Bildschirm vom Roboter überwacht, von dem wir noch nicht wissen, ob es der gute Walter oder der böse David ist. Allein aber, dass er nicht entscheidend eingreift, zeigt, dass Mensch und Alien für ihn Gladiatoren in seiner persönlichen Arena sind. Der Roboter ist Gott-Kaiser geworden, er will sehen, welche Spezies überlebensfähiger ist.
Aber von solchen Gedankenspielen gibt es in „Covenant“ viel zu wenige.
Vielleicht lässt sich der Film mit Ironie besser ertragen. Ausgerechnet zu Jerry Goldsmiths verstörender Titelmelodie stellt Daniels (Katherine Waterston) nach Landung auf dem Planeten sogleich die komischsten Fragen. Als Biologin mit dem Traum einer Hütte am See ist sie die Gegenfigur zu den Technokraten. Sie interessiert sich für Landwirtschaft, erkennt darin den Zivilisationsschritt zum Fortbestand der menschlichen Rasse.
Sie fragt ernst: „Wer hat hier bloß den Weizen angebaut?“. Wer da nicht lacht, der glaubt an Aliens.