Regina Spektor
„Home, Before And After“ – Broadway-Melodien
Warner (VÖ. 24.6.)
Ein berückendes Quasi-Musical der New Yorker Songschreiberin
Wahrscheinlich hat Regina Spektor eine reiche Plattensammlung. Einerseits besitzt sie die Platten von Fleetwood Mac, von Joni Mitchell, Kate Bush, Suzanne Vega, Tori Amos, Aimee Mann, von David Byrne, Lou Reed und den Strokes. Andererseits hört sie die Werke von Schostakowitsch, Mahler und Strawinsky, von Schönberg und Philip Glass. Und zweifellos hat sie in den vergangenen Jahren auch verfolgt, was in der elektronischen Musik passiert. Sie liebt Pianoballaden. Sie liebt Orchesterarrangements. Sie liebt Popmusik.
Ein Musical mit losem Plot und lauter Hits
Sechs Jahre hat Spektor keine Platte aufgenommen, also einen großen Teil ihrer 20-jährigen Karriere. „Remember Us To Life“ wiederum ging eine vierjährige Pause voraus. Währendsie ihre ersten Alben in schneller Folge (und ohne Plattenfirma) herausbrachte, hat sie seit dem erstaunlichen Erfolg von „Begin To Hope“ (2006) keine Eile mehr. Peter Gabriel, Ben Folds, die Strokes arbeiteten mit Regina Spektor. Sie schrieb ein Lied für „Die Chroniken von Narnia“. Und kaum eine amerikanische Serie kam ohne einen Song der jüdischen Amerikanerin aus der Bronx aus.
„I went walking home alone/ Past all the bars/ Hey, let’s grab a beer/ It’s awful late/ I’m becoming all alone again/ Stay, stay, stay“: Man sieht die Bilder dazu vor sich. Der Gesang, das Klavierspiel, das einsetzende Orchester, dann wieder nur die Stimme. Diese Songs sind kinematografisch, sie vollziehen in vier Minuten atemraubende Dramaturgien: „Up The Mountain“, da klettern die Streicher und schmettern die Bläser, und der Electrobeat galoppiert. In der flirrenden Klavier-Etüde „Raindrops“ zitiert Spektor beiläufig Burt Bacharachs „Raindrops Keep Fallin’ On My Head“.
Sardonisch ist „One Man’s Prayer“, das ungefähr so klingt wie „I’m a big, big girl in a big, big world“, aber in Rollenprosa eine Männerfantasie erzählt: Ich bin der König, und das Mädchen bettelt um einen Ring. „I’m not your doll, I’m not your pet“, singt sie in „SugarMan“.„But I’m not the same since we met.“ „Home, Before And After“ ist der berückende Soundtrack eines Märchens und das Märchen selbst. Oder sagen wir: ein Musical mit losem Plot und lauter Hits. „Everyone loves a story about far, far away/ About long ago/ And what might have been.“