Red Hot Chili Peppers
The Getaway
Die unverkennbaren Kalifornier lassen sich auch von Danger Mouse ihren patentierten Funk-Rock-Sound nicht umkrempeln
Vorfreude ist die schönste Freude“: Mit dem Satz wurden wir schon als Kinder gequält, wenn das Warten auf Weihnachten zu lang wurde oder eines der Kinder schon mal neugierig in den Schrank gelugt hatte, um zu schauen, welche Geburtstagsgeschenke es geben wird. Manchmal hatte Mutter allerdings doch recht, bei neuen Red-Hot-Chili-Peppers-Alben ist es zum Beispiel meistens so. Fünf Jahre sind seit „I’m With You“ vergangen – lange genug, um zu vergessen, dass das Album gar nicht so gut war. Nun also das elfte Studiowerk, „The Getaway“, bei dem zum ersten Mal seit 25 Jahren nicht Rick Rubin produzierte, sondern Danger Mouse. So revolutionär, wie sich das anhört, ist es nicht – das wird schon bei den ersten Takten deutlich.
Es gibt nur noch eine Handvoll Rockbands, die sofort so dermaßen wiedererkennbar sind wie die Chili Peppers. Fleas funky Bass, Chad Smiths treibendes Schlagzeug, Kiedis’ Gesang: „It’s the same as yesterday“, erkennt er in „Dark Necessities“, und das ist gar nicht so schlimm. Sie beherrschen das Spiel mit der Dynamik immer noch besser als fast alle anderen. Wie sie in „We Turn Red“ das Tempo rausnehmen, um dann umso heftiger loszugrooven, wie der Stakkatogesang plötzlich sanft wird und danach wieder kräftig ruckelt: Respekt. Groß sind auch „Sick Love“, das leicht psychedelisch und mit ein wenig Getröte daherkommt, und das ähnlich unwiderstehliche „The Hunter“.
Eyo Eyo Eyo
Leider drängen sich die Backgroundgesänge oft auf, und der Quatsch, den Kiedis wieder zusammenreimt, geht auf keine Kuhhaut – all die Meeresmetaphern, all die Klischees. „Your heart is stronger than your head“, philosophiert er und erzählt von „another lonely superstar“ und „California dreaming“, von Treibholz, Tourbussen und tabloids. Besonders tragisch wird die Dichtkunst, wenn Kiedis wirklich mal etwas mitteilen will, wie bei den beiden Abschiedssongs. Während „Feasting On The Flowers“ immerhin eine anhängliche Melodie hat, fällt ihm bei „Goodbye Angels“ nur wieder „eyo, eyo, eyo, eyo“ ein, ein lahmer Chorus, und folgendes Resümee ist ihm nicht zu peinlich: „Suicide is never gonna save you.“ Danger Mouse hätte ruhig mal Bescheid sagen können, dass manchen Songs das Fundament fehlt, statt nur Soundschichten aufeinanderzuschaufeln.
Seit der Tausendsassa Josh Klinghoffer den Träumer John Frusciante ersetzt, hat die Band noch mehr Muskeln, aber weniger Wahnsinn. So reicht es für ein respektables Album mit einem patentierten Sound, aber Großwerke wie „Californication“ oder „By The Way“ entstehen nicht durch Ehrgeiz, sondern durch Leidenschaft. Von „Blood Sugar Sex Magik“ ganz zu schweigen – dafür fehlen jetzt Blut, Sex und Magie, da nützt auch der Zuckerguss von Danger Mouse nichts.