„Raised By Wolves“: Ridley Scotts einzigartig prätentiöser Serienausflug in die Zukunft
Mit Amanda Collin, Abubakar Salim, Travis Fimmel
In Film und Serie war Science-Fiction schon immer ein schwieriges Genre: Je exotischer und visionärer der Blick in die Zukunft, um so komplizierter, die Fremdartigkeit der Konzepte leicht verdaulich im Storytelling zu servieren. In vielen dieser Stoffe wird die Zukunft vornehmlich als High-Tech-Kulisse ihrer Handlung inszeniert, statt als koheräntes world building mit radikal bizarren Ideen.
Wenn nun Ridley Scott mit „Raised By Wolves“, erfahren durch zahlreiche Science-Fiction-Ausflüge in der „Alien“-Reihe sowie „Blade Runner“, als Produzent gen ferner Zukunft aufbricht, sind die Erwartungen entsprechend groß. Und siehe da, die ersten Episoden bieten faszinierendes Serienerlebnis mit exzellent vorgetragener Exposition: Mit wenigen Strichen und vergleichsweise überschaubarem Aufwand zeichnet sich eine gänzlich fremde Welt. Zwei Cyborgs landen auf einem unbesiedelten Planeten mit exotischer Fauna, erschaffen aus dem Retortenglas eine Schar Kinder und ziehen diese fern aller menschlichen Einflüsse groß. Zumindest bis der Nachwuchs nach und nach wegstirbt – bis auf einen scheinbar auserwählten Jungen eben, der zu Größerem berufen scheint.
Wie nebenbei erfahren wir immer mehr über den Grund der Flucht: Ein mörderischer Konflikt durchzieht die Galaxie, ausgetragen zwischen streng Gottesgläubigen und radikalen Atheisten, zugespitzt auf einen vernichtenden und mit Killer-Robotern ausgetragenen Krieg, dessen fundamentalistische Wucht ganze Welten in den Abgrund reißt. Wunderbar forsch prescht die Handlung in den ersten Episoden der ersten Staffel nach vorne, die skizzierte Zukunft blättert sich als unvorhersehbar unvertraut vor uns auf. Als weitere Flüchtige auf dem Planeten landen und die tödliche Auseinandersetzung in das vermeintlich schroffe Paradies importieren, sind wir bereits tief versunken in einer andersartigen Mythologie. Um Loyalität und Berufung, Vision und Verblendung, zivilisatorisches Harakiri und menschliche Hybris geht es hier – tonal im seltsam stimmig wirkenden Spannungsfeld zwischen Anspruch, Pulp und Camp.
Doch zwischen den großen Ideen und den vor allem gegen Ende der ersten Staffel hanebüchenen Plot-Wendungen bleibt „Raised By Wolves“ schwer zu greifen. Mit Sinn für bizarre Konzepte, die immer wieder vor Augen führen, wie fremd diese ferne Zukunft uns ist, führt die Serie in ungewöhnlich sprödes erzählerisches Terrain. Das wirkt in einer Serienlandschaft voller Spektakel zwar wie eine willkommene Abwechslung. Doch mit dem Hang – generell bei einer bestimmten Art von US-Serien anzutreffen – zentrale Rätsel nie zu lösen, sondern Puzzlestück um Puzzlestück zu erschaffen, die sich womöglich nie vollständig zusammenfügen wollen, strapaziert „Raised By Wolves“ die Geduld des Publikums.
Vorbehaltlos empfehlen lässt sich die Serie nun auch mit Staffel zwei nicht so recht; zu sehr fällt „Raised By Wolves“ aus den Rastern dessen, was wir im Serienbereich und im Science-Fiction-Fach zuletzt gewohnt sind. Wer sich auf diese serielle Exotik einlässt und hinter die manches mal prätentiös anmutende Fassade blickt, wird trotz einiger dramaturgischer Fehltritte jedoch mit einer der einzigartigsten und ungewöhnlichsten Serien der vergangenen Jahre belohnt.
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