Prince and the Revolution
Around The World In A Day
Warner Bros
Wie Prince vor 31 Jahren mit dem Nachfolger von „Purple Rain“ Kritiker und Fans schockierte – und mit „Around The World In A Day“ doch eines seiner besten Alben veröffentlichte
Die Verantwortlichen der Plattenfirma dürften sich ihre Hände gerieben haben: „Purple Rain“, das erfolgreichste Album von 1984, war gerade einmal sieben Monate alt, da rief Prince die Leute schon wieder zusammen um, in Los Angeles, sein nächstes Werk vorzustellen.
Die Erwartungen waren unermesslich hoch. Prince war nicht nur der heißeste Künstler des Jahres gewesen, dazu wurde auch sein „Purple Rain“-Kinofilm ein Hit und bei den Oscars Anfang 1985 mit dem Preis des „Besten Song-Soundtrack“ prämiert. Nun also die Präsentation vor der Truppe von Warner Bros. Joni Mitchell wurde als Stargast eingeladen, außerdem war Prince’ Vater John dabei.
Kurios ist die Geschichte, die sich um jenen Tag dreht, als „Around The World In A Day“ vorgeführt wurde. Die versammelten Hörer sollen sich auf eine Bitte im Kreis hingesetzt haben, dann kamen die ersten Töne des Albums, zeitgleich betraten Prince und seine Musiker der Band The Revolution den Raum – mit Blumen in der Hand. Wie ein Vertreter sagte, alles „sehr Haight Ashbury“. Man möchte da die Gesichter der Label-Leute gesehen haben. Joni Mitchell hat vielleicht gelächelt.
Nervös aber soll die Warner-Bros-Crew erst zu diesem Zeitpunkt geworden sein: Drei Songs und rund 15 Minuten waren abgespielt, ein Drittel des Albums – und für sie immer noch kein Hit auszumachen.
Kein zweites Purple Rain
Versprochen hatten die Plattenleute sich „Purple Rain“-Material, Tanzflächen-Knaller á la „When Doves Cry“ oder zumindest Rock-Parodien wie „Let’s Go Crazy“. Stattdessen hörten sie exotische Instrumente: eine Oud, Schlangenbeschwörer-Flöten und eine Darbouka. Die drei ersten Songs, „Around The World In A Day“, „Paisley Park“ und „Condition Of The Heart“ drehten sich um Psychedelia, den Trip in neue Bewusstseins-Sphären und Wunderländer. Vor allem aber waren die Stücke recht langsam, „Paisley Park“ gar elefantös gemächlich.
Auf Prince’ neues Image war keiner vorbereitet. Dass man in den Achtzigern ein Sixties-Revival herbeigesehnt hätte, lässt sich jedenfalls nicht gerade sagen. Der 26-Jährige wies die Vergleiche mit dem Beatles-Meilenstein „Sgt. Pepper“ stets von sich, nannte aber die Fab Four als Einfluss, ebenso Led Zeppelin.
Alles in allem eine Enttäuschung für Warner, das kein Rockalbum zu hören bekam. Bei Prince hatte eine gewisse Müdigkeit vom Superstardasein eingesetzt, er wollte nicht mal mehr aufs LP-Cover von „Around The World In A Day“ (er entschied sich für eine Wimmelbild-Zeichnung voller Fantasiefiguren), eine Tour war nicht geplant – und die erste Single-Auskopplung erst einen Monat nach der Album-Veröffentlichung.
Über den Wunsch, wenigstens die rockige „Raspberry Beret“-B-Seite „She’s Always In My Hair“ noch auf die Platte zu packen, ließ Prince auch nicht mit sich reden. Im Gegenteil, er stellte gleich sein eigenes Label vor, das er nach seinem Song benannte: „Paisley Park“. Er plante fortan eigene Marktstrategien.
Und das waren dann die späteren Zahlen: „Around The World In A Day“ hat sich bis heute rund drei Millionen Mal verkauft, das ist verglichen mit den 22 Millionen von „Purple Rain“ eine Enttäuschung, streng genommen aber kein Misserfolg.
Das Album ist ja auch mindestens genauso gut. „Purple Rain“ handelte von Geilsein und Glamour, Prince brachte damit den Sex in den Mainstream. Dieses Nachfolgewerk nun hatte ernstere Themen, und war die erste LP-Hälfte nur traumhaft schön, nimmt Prince in der zweiten an Fahrt auf. In „Pop Life“ stellte er erstmals seinen Ruhm in Frage: „What’s the matter with your life /Is the poverty bringing U down? / Is the mailman jerking U ‚round? /Did he put your million dollar check /In someone else’s box?“. Das Lied traf 1985, dem Jahr von „Live Aid“ und der Wohltätigkeit, einen Nerv. An Prince war die Kritik schließlich nicht spurlos vorüber gegangen, die nach der Absage an das Star-Ensemble von „We are the World“ Anfang des Jahres auf ihn eingeprasselt war. Michael Jackson und Kollegen wollten ihn unbedingt bei dem Projekt dabei haben, Prince aber lehnte die Chor-Aufnahme ab. Mit „4 The Tears In Your Eyes“ steuerte er dann einen etwas langweiligen Song zum „We are the World“-Album bei, in der eigenen „Pop Life“-B-Seite „Hello“ aber äußerte er sich gar sarkastisch zur Sache.
In „America“ auf „Around The World In A Day“ wies Prince – er sang ja selten über Politik –, nach „Ronnie Talk To Russia“ von 1981 wieder auf den US-Präsidenten und dessen Atombombenarsenal hin; er glaubte, dass ein Erstarken des Patriotismus nötig sei, damit es eben nicht zu einem Dritten Weltkrieg komme.
Und das hymnische „Raspberry Beret“ mit den besungenen „Lightning Seeds“ fasziniert die Menschen bis heute, der Singalong über die Landlust schaffte es in den amerikanischen Single-Charts bis auf Platz zwei – weiter war „Purple Rain“ auch nicht gekommen.
22 Minuten „America“
Prince and The Revolution jedenfalls standen hier voll im Saft, die letzte USA-Tournee schweißte die Musiker zusammen, ein Großteil von „Around The World In A Day“ wurde in mobilen Studios aufgenommen. Prince wollte nicht aufhören zu spielen. Jede der vier ausgekoppelten Singles enthielt eine Maxi-Version, die zu den besten Extended-Versionen gehören, die der Mann je anfertigte. Nicht einfach Remixe mit minutenlang herausgestellten Instrumenten, sondern ausgebaute Songs. „Pop Life“ war hier neun Minuten lang, „America“ gar 22. Kombiniert mit souveränen B-Seiten wie „Girl“ oder eben „Hello“ und „She’s Always In My Hair“ entstanden mit den Maxi-Singles eigenständige Werke.
Die zwei abschließenden Stücke von „Around The World In A Day“ sollten Prince’ Abschied vom Musikgeschäft ankündigen. „Everbody’s Looking For The Ladder“, heißt es in „The Ladder“, „Everybody Wants Salvation Of The Soul“. Die Leiter, aufgemalt im Album, führte in den Himmel. Und im abschließenden, höchst unterhaltsamen, weil ernst gemeinten, an beste „Controversy“-Zeiten erinnernden Funkrock von „Temptation“ sagt Prince: „I’m sorry, I’ll be good, this time I promise / Love is more important than sex / Now I understand, I have to go now /I don’t know when I’ll return, goodbye“. Er sagt das übrigens zu Gott. Der hat in den voran gegangenen neun Minuten von „Temptation“ ein ernstes Gespräch mit ihm geführt, weil Prince zu sexy war. Gott ist in dem Song natürlich auch zu hören, der Musiker spricht ihn mit verfremdeter Stimme.
Ab jetzt nur noch im Paisley Park
Natürlich würde Prince sich nicht vom Geschäft verabschieden. Nur elf Monate nach „Around The World In A Day“, im März 1986, wird er mit „Parade“ sogar sein bis dahin bestes Werk vorlegen. Den enttäuschten Anwesenden bei der Abhörsitzung in Los Angeles dürften aber zwei Dinge klar geworden sein. Erstens, Prince würde in den nächsten Jahren keine zwei Alben mehr aufeinander folgen lassen, die auch nur annähernd gleich klingen. Zweitens, er bringt die Sachen raus, wann er will, gesichert durch das eigene „Paisley Park“-Label.
Endlose Diskussionen mit Warner, die für den Vertrieb seiner Platten zuständig waren, würden die Folge sein, schließlich ein Konflikt, an deren Ende Prince sich 1994 in „The Artist Formerly Known As Prince“ umbenennen würde, nur um sich als Künstler wieder frei fühlen zu können. Die Plattenfirma hatte sich in den Jahren davor zunehmend darüber beschwert, dass Prince zu viel Musik in zu kurzer Zeit veröffentlicht. Indirekt stand der Vorwurf mangelnder Qualitätskontrolle im Raum, da sich die Alben immer schlechter verkauften. Dabei waren viele davon einfach Weltklasse. Prince’ Kompromisslosigkeit verdanken wir die triumphale Produktions-Phase, die auf „Around The World In A Day“ folgen sollte.
März 1986, Februar 1987, Dezember 1987, Mai 1988. „Parade“, „Sign ‚O’ The Times“, „The Black Album“, „Lovesexy“.