Portishead
Roseland NYC Live
Metronome
Portishead lassen uns nicht lange allein. Nachdem die Aufzeichnung des großen Konzerts im Roseland Ballroom zu New York City bereits in Programmkinos zu sehen war und auf Video vorliegt, gibt es nun auch ein Album. Bisher schienen Portishead die letzten zu sein, die nach zwei Platten dem Genre des Live Albums ein Exemplar hinzufügen würden. Andererseits geben sie natürlich auch keine Konzerte, wie sie bei Rock-Bands üblich sind. Wäre „Performance“ neuerdings nicht ein Begriff aus der Ökonomie, müßte man es so nennen. Sagen wir: Kunst. Wer einem der gespenstischen Auftritte von Beth Gibbons in diesem Sommer beigewohnt hat, der wird nicht überrascht sein von der Intensität und Perfektion der Aufnahme. Eher noch glorioser und beängstigender als auf JDummy“ und „Portishead“ erklingen „All Mine“, „Mysterons“, „Only You“, „Glory Box“, „Sour Times“, JRoads“ und „Strangers“, und so oft man diese schwebenden Schwermutssymphonien (denn ein Song ist hier immer Symphonie!) hört, so wenig kennt man sie, so wenig wird man ihrer überdrüssig. Beth Gibbons, deren Stimme nicht ausgebildet ist (was ja gar nicht interessiert), verfügt über einen Ausdruck, bei dem wohliger Schauer noch die einfachste Empfindung ist. Bei „Sour Times“ steigert sie sich einen Klagegesang, den sie auf der Bühne ja gern mit Alkohol und entsprechend erratischem Gebaren unterstützt. Man sollte Gibbons beim Singen sehen.
Man muß es aber nicht. Wenn Beth Gibbons in dem schönsten Song von Portishead die Straßen sucht, die man niemals finden kann, überschreitet sie die zumutbare Intimität ins Schmerzliche. Im Konzert blenden die Scheinwerfer an dieser Stelle das Publikum, als wollte Gibbons nicht beobachtet werden. Für eine Frau, die Interviews ebenso verweigert wie jede Form der Selbsterklärung und Schlauberger-Analyse, exponiert sie sich dennoch mutig.
Aber klatscht da das Auditorium schleppend mit? Oder ist es das Schlagwerk? Es gibt heutzutage ja auch Partys in der Kirche. Bei den Messen von Portishead allerdings fehlt Gott. 4,5