PJ Harvey & John Parish

A Woman A Man Walked By

Universal

Das Coverfoto vom letzten PJ-Harvey-Album „White Chalk“ hätte als eine der berühmten Aufnahmen, die Jean-Martin Charcots im Pariser „Hôpital Salpêtriére“ von seinen Hysterie-Patientinnen anfertigte, durchgehen können. Auch musikalisch ergab diese Assoziation durchaus Sinn, hob Polly Harvey doch ihre Stimme über der dunkel-romantischen Kammermusik in hysterische Höhen. Vom kruden Beefheart-Blues, der sonst große Teile ihres Oeuvres bestimmte, war nur noch des Captains Alumnus Eric Drew Feldman am Mellotron übrig geblieben.

Dass nun der Name des Gitarristen/Produzenten John Parish das erste Mal seit 1996 wieder gleichberechtigt auf dem Cover eines Harvey-Albums erscheint, lässt eine erneute ästhetische Wende, vielleicht gar eine Rückkehr zu alten Formen vermuten. Und gleich das Eröffnungsstück von „A Woman A Man Walked By“ scheint das zu bestätigen: „Black Hearted Love“ ist ein relativ straightes Gitarrenstück, das an Harveys wohl süffigstes Album „Stories From The City, Stories From The Sea“ erinnert.

Doch wenn die E-Gitarren langsam ausfaden und ein Banjo erklingt, wird klar: Die stilistische Geschlossenheit von „Stories“ ist dieses Mal ebenso wenig gefragt wie die beklemmende Hermetik von „White Chalk“. Ähnlich wie auf „Uh Huh Her“ von 2004 zeigt Polly Harvey dieses Mal wieder alle Facetten ihrer Kunst: den hypnotischen Folk, die fragile Ballade in „White Chalk“-Manier, ätherisch-psychedelische Soundcollagen, die am ehesten an „Is This Desire“ von 1998 erinnern und kruden, widerständigen, männermordenden Feminismus, den Harvey im Titelsong in Radioheadeske-Sphären, in „Pig Will No“ in Stooges-Primitivismus steigert. PJ Harvey lässt sich in keine Schublade stecken, und in eine Zwangsjacke schon gar nicht.