Pet Shop Boys :: Yes
Ein Blick in die Diskografie: Knapp drei Jahre ist das letzte Pet Shop Boys-Album nun her. Kommt einem viel länger vor. Zehn Jahre. Mindestens. Es sind sogar fast 13. Denn 1996 erschien „Bilingual“. die letzte Platte, auf der ihre Mischung aus Glam und Geist. Proll-Disko und literaturwissenschaftlichem Seminar wirklich funktionierte. „Nightlife“ war danach lustlos, „Release“ ein ins Leere laufendes Experiment in Authentizität mit Johnny Marr an der Gitarre, „Fundamental“ hatte immerhin „Casanova From Hell“, aber auch diese oberlehrerhaft banalen Protestsongs. Menschen, die mit erhobenem Zeigefinger tanzen, sehen immer bescheuert aus. „Being Boring“ oder – wie Greil Marcus ausführte „Go West“ waren poetischere politische Statements, weil sie von allem handelten, der conditio humana sozusagen.
So auch „Love etc“. die neue Pet Shop Boys-Single. „You need more than a big blank cheque to be my lover/ Or a gulf stream jet to fly you door to door/ Somewhere chic on another shore – you need more/ You need love.“ Das einzige Prinzip, das immer Mehrwert produziert, ist ein antikapitalistisches. Es heißt Liebe. Und genau darum geht es auf „Ves“. „Don’t have to be beautiful but it helps“. Ein Minimal-Keyboard-Riff, „Go West“-Call-and Response-Chöre. Sparks-Witz und – das ist neu – Anti-Hedonismus. Könnte die beste Pet Shop Boys-Single seit „Se a vida e“ sein.
Und es kommt noch besser: „All Over The World“ fängt die Euphorie des ersten Verliebtseins so ein. dass man sie selbst zu spüren glaubt. „Beautiful People“ schwelgt in einem bacharachesken Streicherarrangement von Owen Pallett (Final Fantasy), eine sehnsüchtige Mundharmonika rührt zu Tränen. Auch Johnny Marrs Gitarre erklingt wieder auf „Ves“, wird aber etwa in „Did You See Me Coming“ von einem herrlich billigen Beat abgelöst, woraufhin sich Neil Tennants Stimme zu schönster 8Os-Körperlosigkeit erhebt: „Then and there my life makes sense/ You are the evidence“ – ja ja, die Liebe. „Vulnerable“ und „More Than A Dream“ sind noch betörender.
Doch dann dreht die Stimmung, das Private kippt ins Politische, und die Liebe fliegt davon, „l’m building a wall/ A fine wall/ Not so much to keep you out/ More to keep me in.“ Einsamkeit und Sehnsucht spiegeln sich im flächigen, romantischen Elektropop „King Of Rome“. Anschließend führen Bläser und Beats, wie wir sie von „Very“ kennen, in die Tanzhölle, und am Ende, im traurig schönen Mondscheinnächtetraum „The Way It Used To Be“. bleiben nur noch die leeren Erinnerungen an das, was mal war: „l’d survive with only memories/ If l could change the way I feel/ But I want more than only memories/ The human touch to make them real.“
Das war’s, erklärt Neil Tennant zum Abschluss mit apokalyptischem Zynismus, die Zeit wird vergehen, Regierungen werden stürzen. Gletscher schmelzen. Stürme werden alles verwüsten, Arten aussterben. Aber immerhin die Pet Shop Boys sind zurück. Was könnte tröstlicher sein?