Pearl Jam

Gigaton

Mit „Na na na“ in den Dad Rock: Was haben Pearl Jam nur sieben Jahre lang gemacht?

Nach Erscheinen ihrer „Dance of the Clairvoyants“-Single kam es in den sozialen Netzwerken zum Streit. Sind Pearl Jam plötzlich zu modern? Und dürfen sie das sein? Alle schrieben von „New Wave“ und eben „Dance“ –und meinten das als Vorwürfe. (Fehlte nur noch eine Auseinandersetzung über die Tarotkarten-Romantik des Song-Namens an sich, der wie von Marillion inspiriert wirkt, Zauberkugel und Veitstanz.)

Die Diskussion offenbarte eine ungeahnte, erschreckende Fantasielosigkeit: Die Leute wollen von ihren Helden anscheinend auf Lebenszeit Hardrock hören. Womöglich schwang darin auch ein wenig die Angst mit, dass hiernach wieder sieben Jahre bis zur nächsten PJ-Platte vergehen könnten – irgendwann würden die Musiker dann weit über 60 sein. Und besser werden sie dann ja … nicht unbedingt.

Das wirkliche Problem besteht jedoch weniger darin, ob bei Pearl Jam, die seit 30 Jahren existieren, die Bewahrung einer Tradition, sofern es sie überhaupt gibt, vorausgesetzt werden dürfte.

Es ist vielmehr so: Produktion und Arrangement sind dann nicht mehr entscheidend, wenn das Ausgangsmaterial über weite Strecken einfach nicht gut genug ist. „Dance of the Clairvoyants“, dessen Refrain an eine beschleunigte Version des „Lightning Bolt“-Songs „Pendulum“ erinnert, ist vielleicht noch eines der mutigeren Lieder, getoppt aber durch die Chuzpe, mit „Superblood Wolfmoon“ eine zweite Single zu veröffentlichen, deren Refrain aus einem „Na Na Na“ besteht.

Sieben Jahre zwischen „Lightning Bolt“ und „Gigaton“: Pearl Jam haben nie behauptet, dass sie sieben Jahre unermüdlich nur an diesem Album gearbeitet haben, um am Ende das perfekte Werk vorlegen zu können. Die fünf Mitglieder haben etliche Nebenprojekte, auch der Tod Chris Cornells soll die Aufnahmen nicht nur verzögert, sondern auch verändert haben; Matt Cameron war Schlagzeuger bei Soundgarden.

Pearl Jam – „Dance of the Clairvoyants“:

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Wirklich konfliktgeladen aber wirkt „Gigaton“ selten. Stücke wie „Retrograde“ oder „Comes Then Goes“ zeigen einen Eddie Vedder, wie er sich seit „Backspacer“ von 2009 wohl am wohlsten fühlt. Folk, Lagerfeuermusik, Hitchhiking-Nostalgie.

Pearl Jam – Superblood Wolfmoon:

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Natürlich sollte nicht erwartet werden, dass der 55-jährige noch so spucken möchte wie einst in „Animal“ oder selbstverletzend ausrastet wie in „Habit“. Wer sich jedoch selbst zu lieb wird, aber dennoch „rocken“ möchte, der schreibt am Ende eben Dad-Rock wie „Take The Long Way“ – nicht zu laut, nicht zu schnell, zu keiner Zeit verunsichernd. So klingen Pearl Jam schon auf ihrer letzten Platte. Es entsteht der unglückliche Eindruck, dass „Gigaton“ bereits im Jahr nach „Lighting Bolt“ hätte erscheinen können. Mit dem Unterschied, dass 2014 der Begriff „Gigaton“ wohl eher noch mit einer „Transformers“-Actionfigur assoziiert statt mit der Klimakrise in Verbindung gebracht worden wäre.

Die Goldene Live-Ära

Pearl Jam: „Let’s Play Two“

Pearl Jam sind eine der wenigen Bands, die es sich leisten konnten, in den Zehnerjahren lediglich ein einziges Studioalbum zu veröffentlichen. Ihre Anziehungskraft nahm nicht ab, sondern sogar zu. Das ist weniger paradox, als es auf den ersten Blick erscheint. Wie The Cure haben Pearl Jam im vergangenen Jahrzehnt auch ohne aktuelle Platte, die beworben werden müsste, kontinuierlich getourt. Beide Bands begründeten damit, zumindest als Live-Künstler, ihre Goldene Ära, weil sie mit größer werdendem Abstand zum jüngsten Album auch deren fast durchgängig schwachen Songs nicht mehr aufzuführen brauchten.

So kam es zu Auftritten, bei denen wieder die wirklich guten Stücke, also die des Frühwerks, zum Standard wurden. Es wäre dennoch schade, wenn die Vorfreude auf die zwei Pearl-Jam-Konzerte diesen Sommer durch die Vorstellung gemildert würde, dass sie viele ihrer „Gigaton“-Lieder vorstellen werden.