Pavement :: Terror Twilight
Plötzlich versteht man jedes Wort. Weniger Ironie, die lustigen Geräusche schön im Hintergrund lassen, und bessere Gitarrensoli spielen. Wie Pavement ihr schönstes Album veröffentlichten.
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Durch seine Arbeiten für Radiohead ist Produzent Nigel Godrich berühmt geworden, von „OK Computer“ (1997) an gilt er als maßgeblicher Architekt jenes Band-Klangbilds, das bis heute immer vertrackter und Rhythmus-betonter geworden ist. Aus einer Rockgruppe schuf Godrich über die Jahre ein Kollektiv, deren Musik jetzt vor lauter Elektronik flimmert.
Umso bemerkenswerter war sein Einsatz für Pavement, das Quintett um Sänger Stephen Malkmus. Hier musste Godrich einen anderen Weg gehen. Die Musik der Band klang zuvor komplizierter, so, wie man sich Slacker vorstellt: irgendwie verschoben, der Sänger hustet während der Aufnahmen, es quietscht und jault und schuppt. Viele halten das Pavement-Debüt „Slanted and Enchanted“ von 1992 deshalb für die perfekte Indie-Platte. Für „Terror Twilight“ ordnete Godrich alle Spuren in gerade Bahnen – endlich tat das mal einer. Er sprach Malkmus mehr Mut im Gesang zu und rang ihm wohl diverse Versprechen ab: weniger Ironie, lustige Geräusche schön im Hintergrund lassen, und bessere Gitarrensoli spielen. Vielleicht wirkt das Werk deshalb auch wie ein Zwilling von Malkmus’ erstem, nicht weniger großem Solo-Album „Stephen Malkmus“ von 2001. Der Chef hatte sich hier endgültig durchgesetzt. Die fünf Pavement-Musiker, die vor den „Terror Twilight“-Aufnahmen schon an verschiedenen Orten in den USA gelebt haben, müssen geahnt haben, dass ihr fünftes Studioalbum ihr letztes werden könnte, sie danach nicht mehr zusammen kommen.
Hier sind ihre besten Songs versammelt, alles Pop, und die Lieder kommen weitestgehend ohne Show-Einlagen aus: „Spit On A Stranger“ ist bestes Underdog-Material („I’ll Try The Things You’ll Never Try“), „Ann Don’t Cry“ ein ernstes, romantisches Blues-Stück, „Billie“ klingt wie Sitzen im Lagerfeuer, plötzlich brennt einer, alle versuchen ihn zu löschen. Und in „The Hexx“ liefert Malkmus sein bisher bestes Solo ab – eine langsam sich aufmotzende Gitarre, dicker Schwanz wie Prince. Dazu gab es einige von Malkmus‘ besten Texten. „Watch out for the gypsy children in electric dresses, they’re insane / I hear they live in crematoriums, and smoke your remains“, ist so ein Klassiker. Noch besser: „Architecture students are like virgins with an itch they cannot scratch /Never build a building till you’re 50, what kind of life is that?“
Wie zu erwarten ernteten Pavement mit „Terror Twilight“ die bisher schlechtesten Kritiken ihrer Karriere. Nicht mehr funny genug waren sie, und die Zeit, in der man auf die genannten „Sprachrohre des Alternative Rocks“ hörte, war Ende der Neunziger sowieso vorbei.
Auch die Band konnte mit dem Material von „Terror Twilight“ weniger anfangen, und das gilt auch aus heutiger Sicht. Bei ihrer Reunion-Tour 2010 standen Stücke im Vordergrund, bei denen die Musiker bessere Zeiten erlebt haben oder alle intensiver an der Komposition mitwirkten. So schafften es vom finalen Pavement-Werk nur zwei Lieder auf die Setlist: „Spit On A Stranger“ und ein neu arrangiertes „The Hexx“. Inklusive des tollen Gitarren-Solos, immerhin.