Patti Smith

Horses/Horses

Das sensationelle Debüt von 1975 mit einer neu eingespielten Live-Version

Dreißig Jahre sind vergangen, und inzwischen ist „Horses“ viel mehr als ein erstaunliches Debüt-Album einer noch erstaunlicheren Künstlerin. Wenn man heute „Horses“ hört, denkt man die Geschichten dazu immer gleich mit. Wie Smith übermüdet zum Fototermin mit Robert Mapplethorpe kam und daraus ein Cover wurde, das ihr Image auf lange Zeit festlegte: selbstbewußt, störrisch, ein bißchen maskulin. Daß John Cale bei der Produktion im New Yorker „Electric Lady Studio“ den perfekten trockenen Sound für diese ungestüme Band fand. Daß Greil Marcus Smith „überzeugenden Primitivismus“ attestierte (allerdings gefiel ihm eigentlich nur „Free Money“) und Michael Stipe vor Aufregung kotzen mußte, als er das Album zum ersten Mal hörte.

Das Interessante ist: Auch ohne all die Anekdoten, auch wenn man gar nichts über Patti Smith wüßte und über die Wege, die sie allen von Tori Arnos bis Alanis Morissette ebnete – selbst dann klingen die Songs noch sensationell. Dieser erste Satz:“Jesus died for somebod/s sins, but not mine“! Und das Lied dazu, „Gloria“, gehört längst nicht mehr nur Van Morrison, es ist Smiths ureigener Aufschrei. Danach ist kein Halten mehr. „Redondo Beach“, der ansteckende Reggae über das Verschwinden ihrer Schwester Linda.“Kimberly“ (die andere Schwester), das einen mit dem gemeinen Groove auf den Magen geht. „Birdland“, „Break It Up“ Smith raunzt, maunzt, schreit, schnaubt, zischt, wimmert, wispert, niemals singt sie einfach nur.

Aber natürlich ist es immer noch das dreiteilige „Land“, die Hommage an Hendrix und Morrison, die einen dann endgültig umhaut, auch wenn „La Mer (de)“ möglicherweise prätentiöser Scheiß ist. Es ist auch unglaublich poetisch und mutig. Die Neuauflage endet mit einer weiteren Coverversion: „My Generation“, ursprünglich die B-Seite ihrer Debüt-Single „Hey Joe“. „I’m so goddamn young“, plärrt Patti da, und stellt abschließend fest: „We created it, let’s take it over!“ Was? Rock’n’Roll, die Welt.

Das hat leider nicht ganz geklappt, aber immerhin hat Smith sich ihre eigene Welt geschaffen. Deshalb kann sie 30 Jahre später noch einmal „Horses“ aufrühren, ohne daß es albern wirkt. Sie ist ja immer noch ein Querkopf. Vor einigen Monaten in der Londoder „Royal Festival Hall“ aufgenommen, dauert die Live-Fassung von „Horses“ fast 70 Minuten (das Original keine Dreiviertelstunde), und trotz aller Kraft und Improvisationsstärke, obwohl wieder Lenny Kaye, Jay Dee Daugherty und Tom Verlaine dabei sind, obwohl Smith sich ¿wunderbar gehen läßt, endet das Konzert ein bißchen traurig. Bei „My Generation“ lautet das Fazit jetzt: „My generation, we had dreams, and we fucking created George Bush. New generations, rise up! Take the streets! Make change! The world is yours!“

Die Revolution sollen jetzt andere machen, jüngere. Sie werden nicht die Anmut von Patti Smith besitzen. (SONY bmg) BIRGIT FUSS