Oliver Stone-Natural Born Killers
Ab 27. Oktober.
In einem Fernsehbericht über den Fall OJ. Simpson kommentierte eine Prozeß-Teilnehmerin das Spektakel: „Medien können Helden schaffen und sie wieder vernichten. Das ist ziemlich beunruhigend.“ Dieses dem kranken Zeitgeist entsprechende Phänomen thematisiert Oliver Stone in seiner angeblichen Mediensatire „Natural Born Killers“: Mickey (Woody Harrelson) und Mallory (Juliette Lewis) jagen 52 Menschen eine Kugel in den Kopf und danach die Einschaltquoten in schwindelerregende Höhen. In der verkehrten Medien-Welt genießen die beiden Massenmörder bald den Status von Popstars. Das klingt pervers aber irgendwie auch plausibel in einer Zeit, wo Blutrot die Primärfarbe im Reality TV darstellt Stone bedient sich einer extrem gewalttätigen Bildsprache, „weil Satire, wenn sie funktionieren soll, von Schocks handeln muß“. Doch letztlich erliegt er ebenso wie seine Kollegen vom Fernsehen der Faszination der Gewalt. Der Regisseur läßt seine beiden „Natural Born Killers“ in Blut baden und erklärt die übertriebene Gewaltdarstellung zum Bestandteil seiner „satirischen“ Betrachtung. Daß dies ein bloßer Vorwand und somit die Gewalt im Film reines Kalkül ist, offenbart sein Desinteresse am Gegenstand der Satire. Weil Oliver Stone sich der Holzhammer-Methode bedient, bleibt die Medienschelte ohne Wirkung. Zumal diejenigen, die im Zentrum der Kritik stehen, im Film zu bloßen Karikaturen verkommen.
Was ihm nicht gelang, schaffte Billy Wilder bereits vor 43 Jahren: Sein „Reporter des Satans“ war eine beißende Satire auf den Sensationsjournalismus. Quentin Tarantino, von dem die Story ursprünglich stammt, distanzierte sich bereits vor Fertigstellung des Films von Oliver Stones Adaption. Der Meister im Simplifizieren hatte nämlich das Drehbuch komplett umgeschrieben – mit dem Ergebnis, daß Tarantinos Serienkiller-Psychogramm bei Stone zu einem einzigen Akt der Gewalt mutiert.
Vom Visuellen her erweckt der Film über weite Strecken den Eindruck, es handele sich hier um die überlange Version des neuen Videos von Bodycount. Um zu visualisieren, was in den Köpfen der Killer vor sich geht, wird der Zuschauer hineingerissen in eine alptraumhafte Szenerie aus Flashbacks und Visionen. Der sich in bitzschneller Schnittfolge präsentierende Stil-Mix aus dokumentarisch wirkenden Handycam-Aufnahmen, grobkörnigen Schwarzweiß-Bildern und in MTV-Ästhetik gehaltenen Farb-Sequenzen kommt jedoch einem optischen Overkill gleich.
Dieser halluzinatorische Höllentrip, zu dem der Techno-Extremist Trent Reznor die Musik auswählte, hinterläßt einen üblen Nachgeschmack: Denn Stone exekutiert in seinem Film genau das, was er anklagt: Gewalt als Entertainment.