Okkervil River
I Am Very Far
Jagjaguwar / Cargo VÖ: 06. Mai 2011
Man könnte sagen: Das kommt davon, wenn einer sich traut, Roky Erickson im Clinch mit seinen Dämonen zu assistieren. Er habe sich, sagt Okkervil-River-Kopf Will Sheff, nach „True Love Cast Out All Evil“, dem gemeinsamen Album mit der reaktivierten Texas-Legende, „sowohl entleert als auch inspiriert“ gefühlt. Und von da war’s dann nur ein kleiner Schritt zu der „Idee, keine Idee zu haben“, um in der alten Heimat New Hampshire ein bisschen verwirrt ein bisschen wiedergeboren zu werden. Oder anders: Der Mann ließ alle Ideen zu, ohne irgendwelche Prämissen – und dass dabei kein pseudoambitionierter Quark herauskommt und Sheff in diesen elf überbordenden Stücken selten den Überblick verliert, spricht auch dafür, dass Roky nicht sein letzter Produktionsjob war.
„I Am Very Far“ ist keine 40 Sekunden alt, da ist auch schon der erste Gefallene im Tal der Rock’n’Roll-Toten zu beklagen, zu Grabe getragen zwischen Peitschen-Snare und wild wogenden Streicherfeldern. Der Himmelsstürmer „Rider“ reitet auf einem fast Spectoresken Soundwall und ist – ebenso wie der trunkene Walzer „Wake And Be Fine“ – das Produkt eines Live-im-Studiomarathons in Riesenbesetzung (auch wenn man die angeblich sieben Gitarristen nicht unbedingt hört). Anderes zäumte Sheff in bewusster Abkehr vom bisher üblichen Studioregime ganz anders auf. Im stampfenden „White Shadow Waltz“ konnte sich die Band über einem Demo des Chefs mal so richtig austoben, während der improvisierte Kern der zärtlichen Elegie „Hanging From A Hit“ erst in ständiger Um-/Überarbeitung auf die schöne Arrangement-Spitze getrieben wurde.
So lassen Okkervil River, geführt und ermuntert von einem furchtlosen Chef, mit „I Am Very Far“ die Americana-Welt noch weiter hinter sich als schon zuvor. „We need a myth, a path through the mist“, singt Will Sheff, erst flehend, dann immer fordernder. Ja, er ist gerade ziemlich weit draußen. Und es lohnt sich sehr, ihm auch auf diesem Pfad zu folgen.