Noel Gallagher’s High Flying Birds
Noel Gallagher’s High Flying Birds
Sour Mash/Indigo
Dass auf dem Beady-Eye-Album die Melodien fehlen würden und auf Noels Solodebüt die Stimme von Liam, schien eine ausgemachte Sache zu sein. Trotzdem sind nun beide Post-Oasis-Alben eine Überraschung geworden. Das Beady-Eye-Debüt, weil es nicht so schwach war wie befürchtet. Und Computerskeptiker Noel verdient zunächst Respekt dafür, dass es ihm im digitalen Zeitalter überhaupt gelungen ist, quasi unbemerkt ein Album aufzunehmen. Gut so, man hätte die nervliche Belastung einer zu langen Wartezeit nicht ertragen.
Denn Glaube und Hoffnung waren ja zuletzt überstrapaziert worden bei Oasis. Weil das Herz stets wollte, dass es endlich wieder wird wie früher, der Kopf aber ahnte: Wird wohl wieder nichts. Hat Noel also in den letzten Jahren die besten Ideen bewusst zurückgehalten? Der Verdacht drängt sich auf: Demo-Versionen von „(I Wanna Live In A Dream In My) Record Machine“ und „Stop The Clocks“ wabern seit Jahren durchs Netz. Nun hat Gallagher definitive Versionen beider Songs eingespielt. Vielleicht der wesentliche Unterschied zu den späten Oasis: Es werden endlich wieder Versprechungen eingelöst.
Die ganze Meisterschaft dieses Mannes zeigt sich bereits im ersten Song, „Everybody’s On The Run“. Eine majestätische Großtat, und trotz Orchester und Chor keinesfalls verkitscht. Soundästhetisch überwiegen goldenes britisches Songschreiber-Handwerk und psychedelische Reminiszenzen. Durchbrochen von gelegentlichen Oasis-Anklängen, aber leichtfüßiger und weniger für große Arenen komponiert. Wenn Coldplay nicht immer weiter abgeglitten wären, würden ihnen heute eventuell Wunderwerke gelingen wie „AKA… What A Life“, Ray Davies schreibt schon lange nicht mehr so exzellente Songs wie „The Death Of You And Me“ oder „Dream On“, bei „If I Had A Gun“ brilliert der Romantiker in Noel.
Bisweilen vermisst man Liams Punch, das Fordernd-Elektrisierende. Mehr Schlechtes lässt sich über „High Flying Birds“ nicht sagen – was Noel hier geschaffen hat, ist nicht weniger als sein substanziellstes musikalisches Statement seit „Morning Glory“.
Beste Songs: „The Death Of You And Me“, „If I Had A Gun“