Jimi Hendrix
The Jimi Hendrix Experience
Der musikalische Content ist, kein Wunder bei diesem Rundumschlag, erratisch. Die meisten Aufnahmen sind Live-Mitschnitte, einige davon brillant, andere eher fahrig und unkonzentriert
Wer es erlebt hat, wird es nie vergessen. Von der schieren Wucht und quecksilbrigen Eleganz des Intros von „Hey Joe“ überfallen zu werden, aus dem Radio, Ende 1966, war ein unvergleichliches Erlebnis. Möglich, dass auch Nachgeborene noch einen Schauer verspüren, wenn sie den Track erstmals hören, doch wirkt Pop natürlich sehr viel intensiver in der eigenen Zeit, im Moment des Evolutionssprungs, als in Kenntnis späterer Entwicklungen. The Jimi Hendrix Experience jedenfalls legten ein Entree ohnegleichen hin, in einer Londoner Musikszene, der es wahrlich nicht an Kreativität mangelte. Die Ankunft des Trios machte mächtig Furore, doch kaum drei Jahre später hatte sich die Magie verflüchtigt. Es ist dieser Widerspruch zwischen Bedeutung und Kurzlebigkeit, der der lukrativen Vermarktung des Vermächtnisses im Wege steht. Ein paar tolle Singles und drei Alben, mehr hatte die Band schließlich nicht hinterlassen.
Was freilich findige Rechtsnachfolger des Ausnahmegitarristen nicht gehindert hat, in den letzten Winkeln nach Tapes zu forschen, die sich noch irgendwie verwerten ließen. Damit sollte Schluss sein, als die sogenannte Purple Box, 8 LPs und 56 Tracks umfassend, im Jahre 2000 in die Läden kam. „The Rolls-Royce of posthumous Hendrix sets“ nannte Kollege David Fricke vom amerikanischen ROLLING STONE diese „Authorized Hendrix Family Edition“, die nun samt Extras wie dem informativen 40-Seiten-Booklet wiederveröffentlicht wurde, opulent aufgemacht, hochwertig gefertigt und mit kaum mehr als hundert Euro vergleichsweise günstig.
Der musikalische Content ist, kein Wunder bei diesem Rundumschlag, erratisch. Die meisten Aufnahmen sind Live-Mitschnitte, einige davon brillant, andere eher fahrig und unkonzentriert. Hendrix ließ sich ja gern auf Show-Mätzchen ein, setzte seine Gitarre mit Feuerzeugbenzin in Brand oder zupfte die Saiten vermeintlich mit der Zunge. Das Sequencing ist chronologisch und dokumentiert seine mähliche Rückbesinnung auf den Blues, die Alternate Takes mögen für Fans interessant sein, sind aber bestenfalls zweitklassige Versionen, wie im Falle von „Purple Haze“ und „Hey Joe“, Letzteres ein launiger Probelauf im Studio, ebenso saft- wie kraftlos. An den Pressungen ist nichts auszusetzen. (Legacy)